Vulkanesk
„Der Musiklehrer, er sprach hessisch mit einem Hauch Hochdeutsch, demonstrierte
gerne sein absolutes Gehör. Freiwillige aus der Klasse durften ihn ausführlich
prüfen, welche Kakophonie sie auch dem Flügel entlockten, er erkannte jeden
Ton. Dann schob er die Unterlippe etwas vor, ging zum Flügel, um den Schüler
vom Hocker zu verscheuchen, setzte sich, als setze er sich auf einen Thron,
konzentrierte sich einen Augenblick und sang ein Kunstlied aus der „Winterreise“ ,
von sich selbst begleitet:
„Fremd bin isch oingezo-o-chen,
fremd zieh isch wi-i-dä-ä aus.“
Da brach der Lachvulkan zum ersten Mal aus, der Sänger ließ sich nicht stören:
„ Der Mai waa miä gewo-ochen“- die La-a-ava des Gelächters floß, harte Brocken
aller Vokale wurden mit Urgewalt ausgespuckt, die Mitschüler lauschten, der
Lehrer sang und spielte, ich verließ die Klasse unter Lacheruptionen. Lange noch
hallten sie im Flur.“
Mein Gegenüber im Speisewagen der DB säuberte seine Brille, setzte sie wieder
auf und betrachtete mich wie durch ein Mikroskop, als sei ich ein neues Virus.
Im Lautsprecher näselte eine Stimme: „ In wenigen Minuten erreichen wir Frankfurt.“
Der Unbekannte stand auf, nahm seinen schmalen Aktenkoffer: „ Mier zwei däte
gut zusamme passe.“ Und legte eine Karte vor mir auf den Tisch.
„ Liederabend
im
RARITÄTENKABINETT“
Kissa
28. Apr 2013
Harharhar …. sehr schön! 😀
Solchem Mutterwitz begegnet man nur noch sehr selten!
Der Text selbst ist eine Rarität! Ja, das ist er! ♥