4:45 Uhr

Der Morgen kann
Sich nicht entscheiden
Ob er graut oder blaut.

Ein Vogel zwitschert im Halbschlaf
Zwei oder drei Morgentau-Takte
Und nickt wieder ein.

Lauschig

Der Sommerabend ist licht. Die Luft, in der wir sitzen,
stehen oder gehen, schlank. Ein leichter Wind mit Flaumflügeln
aus Lavendelduft, lebensfreundlich für aufgeheizte Warmblütler.
Aus den Gärten plätschert Frauenlachen, leichtlebige Fata Morgana
des Juli. Von weit dröhnt nachhaltig eine Drohne, zeichnet unseren
Herzschlag auf und unser Stirnrunzeln und unausgesprochene
Gedanken verkörpern sich maschinell zu Sätzen. Seufzer aber oder
Zähneknirschen werden Hausnummern der Gärten zugeordnet und
gefilmt, wer die schwarzen Schatten der Drohnen foto – oder
kartografiert.
Der Sommerabend ist licht. Und die Luft schlank?

Choreographie des Augenblicks

Ein Mann überquert die Straße bei rot.
Eine Frau motzt hinter ihm her:
Oppa, das macht man nicht!

Ein junger Mann hinter ihr lästert:
Omma, wildfremde Männer Oppa rufen,
das macht frau nich!

Die Frau lacht.
Der Beobachter lacht.
Die kleine entgegenkommende

Zeitgenossen-Herde auf dem Zebrastreifen
kennt nicht den Grund, wird aber vom
lautlosen Lach-Virus infiziert.

…….

Stille
pulsiert

Auf dem Getreide, grün, noch
nicht erwachsen, perlt
Regen der Vergangenheit

Ein Vogelruf

und keine Antwort

Frag – würdig

Macht Macht dumm?
Fragt die Ohnmacht.
Wenn sie die Macht
Der Ohnmacht übersieht
Gewiss.

Ach

Der Himmel in uns
Inzwischen Hospital
Für seelische Skoliose
Spiegelt, was wir treiben.

Lichtblick

Die Sonne im Zenit –
Der Lotus mit den tausend
Blütenblättern
So offen wie der Mund
Vor Staunen.

Lyrus, breit *

Ein Lachen hat sich
In Lyrus breit gemacht
Es wabert
Vom Kopf bis in die Zehen
Einem noch nicht gebauten
Instrument entlockt
Der Erfinder
Liegt noch in den Wehen.

* Im Kölner Raum bedeutet breit auch betrunken

Wundertüte Heute

Am Morgen gabst du mir
Gold zu trinken.

Beim Einsteigen ins Auto
Ein Schock: mein Rücken
Stunden schon schmerzfrei.
Auf der Fahrt beweist
Eine Gehirnzelle Langzeitgedächtnis:
„ In Dausenau
da ist der Himmel blau
da tanzt der Ziegenbock mit seiner Frau.“

Am Nachmittag meldetenZunge und Magen:
Das Mittagessen bringt dem Koch
Mindestens
Drei Tage Vorhölle ein.
Eine Bitter
Zartbitter-Schokolade im Gemüt.
Mit Mandeln.
Ich biete einen Friedensvertrag an
Mit mir selbst, dem Platzregen
Und dem hässlichsten Blitzgerät
Dicht hinter Kleve.

Das Gold tanzt in mir
Seltenes Schneegestöber
Und du
Lächelst dich in mich hinein.

Schweigen ist Gold?

Istanbul – Die Demonstrationen wurden mit Wasserwerfern, Tränengas
und Schlagstöcken zerschlagen, Ärzte, die verwundete Demonstranten
behandelt haben, wie es ihre Pflicht ist, festgenommen und in
Handschellen abgeführt.

Ein Mann geht in in die Mitte des Taksim Platzes,
bleibt stehen – Stunden lang bewegungslos und schweigt. Sein
Schweigen spricht Bände: ihr habt uns gewaltsam zum Schweigen
gebracht, wir schweigen es in die Welt.

Irgendwann kommen Männer zu ihm. durchsuchen seinen Rucksack,
er wehrt sich nicht, suchen selbst in seiner Hose, die jetzt offen steht, wonach?
Nach einer Bombe? die Bombe ist diese Demonstration der Gewalt, Hilf – und
Schamlosigkeit der Mächtigen. Der Mann steht da und schweigt.

Ich verleihe ihm Gold in der Disziplin des Widerstandes.