Dark (2)

Mit einem klappernden Ruckeln kam die Kutsche auf dem großen, erdig braunen Vorplatz des Schlosses zum Stehen. Die Mädchen konnten es gar nicht erwarten, hinauszukommen. Welche Märchen hatte man ihnen wohl über den Fürsten erzählt, damit sie keinen Widerstand leisteten.

Wie Herdenvieh wurden die neuen Mägde vor dem Schlosstor von grimmig dreinschauenden Wächtern zusammengetrieben. Einige von ihnen flüsterten aufgeregt miteinander, oder schauten sich bewundernd die lichtdurchflutete Gegend an.

Dann, ganz plötzlich, öffnete sich wie von Geisterhand die schwere Steintür, ohne auch nur das kleinste Geräusch zu machen.

Eine kleine, schlanke Frau kam heraus, die ihr hüftlanges, blondes Haar mit einem roten Tuch nach hinten gebunden hatte. Sie schien ungewöhnlich jung zu sein für jemanden, der sie einweisen sollte, aber sie strahlte eine solche Autorität aus, dass alle auf einen Schlag verstummten.

“In Ordnung. Ihr könnt jetzt an die Arbeit gehen.”, sagte die Frau mit kalter Stimme zu den Wächtern und warf ihnen einen so starren Blick zu, dass sie nicht anders konnten, als wortlos zurückzutreten.

Mit etwas weicherer Stimme wandte sie sich nun an ihre neuen Schützlinge.
“Willkommen. Ich bin Aruya, die oberste Bedienstete des Königs. Wenn wir gleich eintreten, erwarte ich von euch absolutes Schweigen. Der Fürst darf von unserer Arbeit nicht gestört werden. Folgt mir. Ich zeige euch alles.”

Aruya machte auf dem Absatz kehrt und ging schnellen Schrittes in Schloss zurück. Es hatte den Anschein, als behage es ihr nicht, zu lange draußen zu sein.

Die Mädchen folgten ihr bereitwillig und als die letzte von ihnen eingetreten war, fiel die Tür krachend wieder ins Schloss. Im selben Moment flammten die Fackeln zu beiden Seiten des Rundgangs auf, der sich wie eine Schlange bis zur Spitze des Turmes hinaufwand.

Die Fackeln brannten in einem unnatürlich kräftigen Blau und jagten zuckende Schatten über den Boden. Viele von Neras Gefährtinnen blieben entsetzt einige Schritte zurück, aber sie wagten nicht, Aruyas Verbot zu missachten und schwiegen folgsam.

Währenddessen war Nera bis an die Spitze des Trosses gelangt, wo Aruya in strammem Tempo vorausging. Nera zwang sich, ihren Schritt nicht vor Schreck zu verlangsamen, der ihr in die Glieder fuhr, als sie Aruyas Gesicht genauer betrachten konnte.

Mit einem Schlag wurde ihr klar, dass Aruya die Wächter nicht, wie sie geglaubt hatte, vorhin einfach nur angestarrt hatte. Nein, sie hatte durch sie hindurchgesehen. Aruyas Augen waren überzogen von einem milchig weißen Schleier. Sie war blind.

  • Ich bin normalerweise kein Fantasy-Fan, aber diese Geschichte werde ich weiter verfolgen.