Dark (3)

Nera wagte lange Zeit nicht, etwas zu sagen. Schließlich machten sie vor einer kleinen Holztür Halt, die so schäbig aussah, dass sie gar nicht zum Rest des Schlosses zu passen schien.

Aruya neben ihr zog einen schweren Schlüsselbund unter ihrer Schürze hervor und öffnete die Tür, die sich quietschend in ihrer Scharnieren drehte.

”Das hier wird für den Rest eures Lebens eure Behausung sein.”, verkündete sie mit kräftiger Stimme. Ihr werdet im Schloss arbeiten, in der Küche essen und hier drin schlafen. Ansonsten haltet ihr euch nur dort auf, wo es euch befohlen wird, verstanden?”

Die Mädchen antworteten nicht. Einige von ihnen schauten neugierig, andere angewidert durch den Türrahmen. Dahinter war ein großer, fensterloser Raum mit unzähligen Holzpritschen an den Wänden zu sehen.

Aruya nahm das Schweigen als Zustimmung und wies die Mädchen an, ihre wenige Habe auf die Pritschen zu legen, damit sie sogleich mit der Arbeit beginnen konnten.

Nera stand noch immer regungslos neben der Tür. Sie hatte sogar vergessen zu atmen. Für den Rest eures Lebens, hörte sie Aruyas Stimme in ihrem Kopf widerhallen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie ungeheuer schlecht es ihnen ergehen würde. Die harte Arbeit war nicht das Schlimmste, daran war Nera schließlich gewöhnt, aber wie würde sie es jahrelang hier aushalten, ohne eine Menschenseele, die ein freundliches Wort für sie übrig hatte?

Sie hatte noch nie die Fähigkeit besessen, schnell Freundschaften zu schließen, aber jetzt wünschte sie sich nichts sehnlicher herbei.

Die Mädchen verbrachten viel mehr Zeit im Schlafraum als nötig gewesen wäre. Sie tuschelten aufgeregt, flüsterten sich Witzeleien zu, doch Nera war sich sicher, dass Aruya alles hören konnte. Bestimmt wusste sie auch, dass Nera nur wenige Zentimeter von ihr entfernt stand und sie unaufhörlich anstarrte, aber sie konnte einfach nicht den Blick abwenden.

”Folgt mir.”, sagte Aruya schließlich wieder und die Mägde folgten ihr den Rundgang wieder hinunter, bis sie sich wie schon vorhin in der Eingangshalle befanden. Von dort aus nahmen sie den Weg durch die einzige vorhandene Tür und fanden sich in einer riesigen Küche wieder.

”Wozu braucht ein einziger Mensch eine so große Küche?”, hörte Nera eines der Mädchen hinter sich fragen und insgeheim stellte sie sich dieselbe Frage. Schon im nächsten Moment wurde sie ihr beantwortet, als sie die große Tafel am anderen Ende des Raumes erblickte.

Dort saßen hunderte von Frauen, die schweigend aus flachen Tonschalen ihr Essen löffelten. Angesichts der großen Gruppe erschien es geradezu absurd, dass kein einziges Wort zwischen ihnen fiel.

Aruyas Autorität fing sofort wieder ihre Aufmerksamkeit ein, als sie sich vor ihnen aufbaute. Mit einer kurzen Armbewegung, die in Richtung eines langen Wandschranks zu ihrer Linken wies, sagte sie: ”Jede von euch erhält zwei der Schürzen aus diesem Schrank. Sind sie schmutzig, tauscht ihr sie durch die zweite aus, bis ihr die erste gewaschen habt. Normalerweise gibt es um diese Zeit Essen, doch da ihr heute nicht gearbeitet habt, habt ihr euch diese Pause noch nicht verdient.

Jeden Morgen, Mittag und Abend trägt eine der Mägde die Speise des Fürsten zu ihm hinauf. Seine Gemächer befinden sich ganz an der Spitze des Turmes. Es ist jeden Tag eine andere Magd, versteht ihr mich? So entsteht kein Neid unter den Bediensteten des Fürsten. Zieht euch jetzt um. Du da!”

Sie zeigte auf das weiße Mädchen, das unter den verwunderten Blicken der übrigen erschrocken zurückwich. Wie hatte Aruya sie dort stehen gesehen? Oder hatte sie einfach willkürlich in die Menge gedeutet?

”Du bist heute an der Reihe.”, sagte Aruya. ”Die übrigen folgen mir zum Waschen hinaus in den Hof.”

  • Es bleibt spannend…