Dark (4)
Die Mädchen taten wie geheißen. Jede von ihnen legte eine Schürze an und sie folgten Aruya hinaus auf den Hof.
Es tat gut, nach so kurzer Zeit schon wieder die Gegenwart des Waldes zu spüren. Er gab Nera ein Gefühl von Geborgenheit wie sie es in seltenen Momenten einst auch in ihrem Dorf gehabt hatte.
Doch diese Zeiten gehörten jetzt der Vergangenheit an. Es hatte keinen Sinn, sich immer und immer wieder an sie zu erinnern, denn Nera würde niemals wieder zurückkehren. Sie würde hier alt werden – wenn sie Glück hatte – und sterben als eine Bedienstete des Fürsten.
„Tut euer Bestes, um euer Brot zu verdienen.“, verkündete Aruya laut und riss Nera so aus ihren trübseligen Gedanken.
„Die Schmutzwäsche findet ihr in den Kübeln.“ Sie deutete auf eine ganze Reihe hölzerner Zuber, die bis an den Rand gefüllt waren mit verschmutztem Samt und bekleckerter Seide. Der Fürst ging mit seinem Besitz offenbar nicht sehr achtsam um. Warum auch, wenn es Mädchen gab, die das Waschen tagtäglich für ihn erledigten.
„Auf der anderen Seite der Lichtung liegt ein See. Von dort könnt ihr das Wasser nehmen. Gebt euch Mühe!“ Mit diesen Worten machte Aruya auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Flügeltüren wieder im Turm.
Eine ganze Weile blieben die Mädchen einfach nur verwirrt an Ort und Stelle stehen. Die wenigen, die nun endlich begriffen hatten, dass das Leben im Schloss des Fürsten kein Zuckerschlecken für sie werden würde, wagten nicht, einen Fluchtversuch zu starten. Die Wachen neben dem Eingangstor musterten sie nur allzu genau.
Die übrigen begannen wieder ihr aufgeregtes Getuschel. Nera ging diese Wichtigtuerei allmählich so auf die Nerven, dass sie sich aus der Gruppe löste, einen der schweren Wäschezuber auf ihren Rücken lud und sich auf dem Weg zu der beschriebenen Stelle machte.
Damit war der Damm gebrochen. Erst folgten ihr nur ein paar, doch schließlich hatte sich die ganze Gruppe ihr angeschlossen und die Arbeit konnte beginnen.
Der See hinter dem Schloss war flach und bot nur sehr dreckiges Wasser. Es würde nicht leicht werden, damit die Flecken herauszubekommen, aber Nera freute sich auf die Arbeit. Wenn ihre Hände etwas zu tun hatten, konnte sie nicht so leicht mit den Gedanken an einen Ort abschweifen, der nun nicht mehr ihr Zuhause war.
Die anderen Mädchen hielten während des ganzen Tages Abstand von ihr, während sie ihre Arbeit verrichteten. Neras beängstigende Wirkung auf andere war also auch an diesem Ort ungebrochen. Sie hörte die Mädchen reden.
„Sie ist so stark wie ein Mann. Sie hat den schweren Wäschezuber ganz allein getragen.“
„Sie schaut immer so unfreundlich. Habt ihr sie schon einmal lächeln gesehen.“
„Seht ihr, wie sie sich bewegt. Fast wie ein Tier.“
„Wenn sie etwas netter wäre, hätte sie bestimmt auch mehr Freunde hier.“
Nera hörte stumm zu. Die Sonne zog ihren Kreis am Himmel und brannte ihr heiß in den Nacken. Sie vermisste die Kühle der Bäume, den Schatten des Waldes, aber wenn sie sich zu sehr danach sehnte, verebbten ihre energischen Bewegungen und die übrigen Mädchen schauten sie tadelnd an, weil sie in ihrer Arbeit innehielt.
Schließlich senkte sich die Nacht über das Schloss und Aruya kam, um sie hereinzuholen.
Songline
25. Dez 2009
Es macht nachdenklich, dass diejenigen, die „anders“ sind, immer ausgestoßen werden, egal, in welcher Umgebung sie sich befinden.
Wenn es sich um jemanden handeln würde, die sich einfach nicht in eine Gemeinschaft integrieren kann, wäre das gerechtfertigt.
Nera aber tut niemandem etwas. Sie macht ihre Arbeit, redet nicht schlecht über die anderen, versucht sich einzufügen.
Bin gespannt, wie es weitergeht.