statt Blumen
Anna wohnte im dritten Stock des Seitenflügels eines Abriss-
hauses, dieses Prädikat hat das Haus seit etwa fünfzig Jahren.
Anna wer?
Einfach Anna, vorwärts und rückwärts gelesen.
Sollte sie jemals einen Nachnamen besessen haben, ging er ihr
vermutlich zwischen den Seiten eines Fortsetzungs-Romanzenhefts
verloren. Oder in einer Zeitschrift mit Zugang zu den Intimitäten in
Wohn-und Schlafzimmern ihrer illustren Bewohnerinnen und Bewohner.
Anna führte einen Kiosk in U-Bahn-Nähe, er war, statt mit Lebkuchen,
mit Gedrucktem behangen. Sie kannte sich darin besser aus, als in
ihrem eigenen Leben.
Eines Morgens bat sie ihr Mann: Mensch, Anna, warum verkaufst du
nicht Blumen. Sie strich mit der Hand über ein paar Seiten und sagte
dann: Menschen sind auch Blumen.
Ihr Mann soll ausgerastet sein: Verkauf Fisch, der stinkt weniger, als
das Gesülze hier. Und wenn er gut zubereitet ist, wird einem nicht schlecht
davon.
Danach soll er seine Koffer gepackt haben.
Anna kannte die Straßen und Kieswege des Kitschs besser als den Heimweg
von ihrem Kiosk zu dem Abrisshaus und den Irrlichtern dieser Umgebung.
Vielleicht wurde ihr das zum Verhängnis, als es, laut Polizeibericht, an ihrer
Wohnungstür geklingelt hat. Vergeblich sah sie durch den von außen beschmierten Spion.
Eine Nachbarin berichtete, ein Pärchen habe durch die Tür gerufen: wir sinds,
Anna. Graf Bronski und
Ein Student im zweiten Semester, der einen Stock höher wohnt, hat gesehen,
dass ihre Wohnungstür sperrangelweit offen stand – und Anna gefunden. Er fragt
sich immer noch, wer hat Anna umgebracht, die brutale Wirklichkeit oder das
Gesülze..
Songline
12. Mai 2015
Schön, dass du auch Prosa schreibst. Gern gelesen.
Maultrommler
15. Mai 2015
Danke! Ich habe doch schon öfter Prosa hier reingestellt.
Nicht weit vor diesem ist zum Beispiel einer. Vielleicht guckst Du mal rein?!
Gruß,
Uwe
Mumpitz
21. Mai 2015
Ein Text zwischen Komik und Tragik, der Leser weiß gar nicht, wie er fühlen soll. Spannend, etwas zum mehrmals lesen!