Blog aus der Intensivstation – Vorwort
Schon in der Serie Betsy’s Tagebuch, die im Moment Pause machen muss, habe ich lange abgewaegt, in zu schreiben oder nicht. Im Vordergrund stand die Frage, ob ich solch persönlichen Informationen und Material anderer Menschen, die ich nicht einmal mehr fragen konnte, veröffentlichen darf und sollte.
Diesmal war die Frage an mich selbst gerichtet: sollte ich sehr persönliche Erfahrungen veröffentlichen, Erfahrungen, die nicht einmal „historisch“ sind sondern nur 2 Tage zurückliegen?
Da ich im Moment sehr viel Zeit habe und 24 Stunden am gleichen Platz liege, und nicht plane jedes kleinste zum Teil intime Detail herauszuposaunen, war die Antwort: und warum nicht!
Der „Blog aus der Intensivstation“ wird geschrieben.
Heute ist Tag 2, Montag den 15.2.2010. Vor 2 Tagen, am Samstag den 13.3. um 14:00, hatte ich einen schweren Herzinfarkt und landete auf der Intensivstation. Hier liege ich nun während ich diese ersten Worte tippe und hochlade, also ganz so „intensiv“ kann es denn ja auch nicht sein.
Das stimmt, hier sind alle bei Bewusstsein, und genau heißt diese Station: „Cardiac Step Down„, und sie befindet sich auf dem 6 Stock des Kingston Hospital. Hier landen alle kardiologischen Fälle, die aus dem Gröbsten raus sind, aber noch runde um die Uhr beobachtet werden müssen.
So steht an der Tür: „no flowers allowed in Cardiac Step Down, as water and cables do not mix“, übersetzt heißt dies soviel wie: „Blumen sind hier nicht erlaubt, da sich Wasser und Stromkabel nicht gut vertragen“.
Denn hier sieht es aus wie bei Saturn-Hansa: Monitore mit Kontrolleinheiten in jeder Patientenbucht, Sauerstoff-Messkabel an fast jedem zweiten Zeigefinger, mehrere Infusionsmaschinen neben den Betten, zig EKG Maschinen mit ihren krakenartigen Kabeln, ich selbst liege hier seit bald 55 Stunden durch 4 Stromkabeln und 3 Infusionen ans Bett gefesselt und kann leicht nachvollziehen, wie viel Schaden das Wasser einer umgekippten Blumenvase anstellen kann.
Natürlich wachsen auch die mitgebrachten elektronischen Spielzeuge der Patienten. So hatte ich schon an Tag 1 meinen kleines MacBook, ein externes Laufwerk mit 100+ Filmen und das Handy Ladegerät angeschlossen, und je länger ich erwarten muss hier zu liegen, je mehr „electronic Gadgets“ fallen mir zum Zeitvertreib ein. Ich plane mich zurückzuhalten, und mich auf ein paar Filme, die olympischen Spiele zur Nachtzeit und diesen Blog begnügen, ein bisschen Skypen und viel schlafen.
Ja, ich höre euch: ein Buch tut es auch, es geht auch ohne PC, und ihr habt recht: ich habe an die 200 Bücher dabei, aber einem eBook Reader, der auch nach einigen Tagen intensiver Nutzung nach einem Stromkabel piepst. Wie so viele der Geräte hier, jedes piepst immer wieder Mal, aus unterschiedlichsten Gründen, und manchmal auch einfach nur grundlos.
Bevor ihr die Frage stellt ob in englischen Krankenhäusern etwa Mobiltelefone erlaubt sind, hier meine Interpretation, die auch 3 andere Patienten und das Personal hier teilen: manchmal schon.
Eine BBC Dokumentation hatte vor einiger Zeit aufgedeckt, dass es bei diesem Mobil-Verbot in erster Linie um eine reine Gewinnoptimierung handelt, das Krankenhaus will mit seinem eigenen Telefondienst Geld verdienen, die Verkabelung muss irgendwie bezahlt werden. So werden in manchen Häusern, wie auch Hotels, sogar Störsender benutzt, um das Telefonieren mit der eigenen teuren Hausanlage zu erzwingen. Aber elektronische Test hatten belegt, dass diese Störsender stärker strahlen als die Telefone selbst. Zudem sind moderne medizinische Geräte ausreichen abgeschirmt, sonst könnten sie ja auch nicht im Erdgeschoss einer Station neben dem Bürgersteig eingesetzt werden. Also ich benutze mein Mobil sehr wenig, und ich schalte es nach jedem Gespräch aus damit es nicht klingelt. Denn Ruhe brauche ich, wie auch die anderen Patienten hier auf der Station.
Ihr wollt wissen wie es mir geht, heute an Tag 2, am Rosenmontag? Danke für die Nachfrage, deutlich besser als Samstag und gestern, und gut genug um diese Worte zu schreiben und über die nächste Folge für morgen ein wenig nachzudenken.
Die konservative Schätzung einer Ärztin war heute: noch wohl 7 Tage hier unter Beobachtung, dann können wir ein Angiogram machen, und danach ist alles möglich, von „ab nach Hause“ bis „und jetzt eine OP“. Einige Folgen dieser Reihe wird es also noch geben. Und sollte Mal einige Tage Funkstille herrschen, macht euch keine Gedanken, es wird wohl banale Gründe haben.
In eigener Sache: ich werde Kommentare hier wohl nur 1x täglich lesen und evtl. beantworten, und meine email für privateres kennt ihr ja: comment(at)bleiglass.com
KoKa
16. Feb 2010
Ich kann verstehen dass du nicht auf deine Mobilität verzichten willst und wünsche dir gute Besserung. Als ich deinen Text gelesen habe, fühlte ich mich hautnah neben dich gestellt. Grüß dich, KoKa
Songline
16. Feb 2010
Bleiglass, wenn Du Dir jetzt nicht sofort Ruhe gönnst und alles dafür tust, dass es Dir bald besser geht, dann werde ich ernsthaft böse mit Dir! Ich weiß ja, dass Dein technischer Spieltrieb nur schwer zu bändigen ist, aber irgendwann muss es auch mal gut sein.
Und Du kennst mich gut genug um zu wissen, dass meine Schimpferei nur Ausdruck der Sorge um Dich ist. Pass auf Dich auf, ja? Schließlich möchte ich Dir irgendwann noch den Wein ausgeben können, den ich Dir noch schulde.
Fritzi
16. Feb 2010
Wir haben uns nur ein Mal gesehen und das nur kurz zu später Stunde – natürlich wünsche auch ich dir, wie ich es jedem Menschen wünschen würde, eine baldige Besserung und fortschreitende Genesung … aber was mich hier nun – eigentlich – am Meisten beschäftigt und bewegt, das ist die Tatsache, dass dies der erste längere Text ist, den ich von dir kenne – und der mir viel mehr Einblick gewährte, als jeder gelegentlich getane „Blick durch dein Fenster“.
Halt die Ohren steif.
Komm wieder – und schreibe … mehr, als nur comments.
Mit Schlag auf die Schulter –
Fritzi
Hulemule
16. Feb 2010
mensch du … gute besserung. ich finde, du solltest tun, was du tun willst – und wenn es die elektronischen spielzeuge sind, dann spiel halt…
gute besserung, pass auf dich auf!