Die Belagerung von Neuss – ETB 11/1975
Die Sonderbriefmarke erinnert an ein Ereignis in der deutschen und rheinischen Geschichte von europäischer, übernationaler Bedeutung: An die vergebliche Belagerung der Stadt Neuss durch Herzog Karl den Kühnen von Burgund von Juli 1474 bis Juni 1475 und an die daraus entstandenen weittragenden Folgen für die staatliche und politische Konstellation in Europa.
Ausgangspunkt waren die Bestrebungen der Herzöge von Burgund, auf Kosten des Deutschen Reiches und Frankreichs zwischen Nordsee und Alpen ein großburgundisches Reich zu errichten. Karl der Kühne — bei den Franzosen le Temeraire, bei den Holländern de Stout genannt — beherrschte bereits die Gebiete bis hinauf nach Holland, Seeland und Flandern und strebte nach der deutschen Kaiserkrone. Ein Verfassungskonflikt im Kurfürstentum Köln gab ihm willkommene Gelegenheit, mit der bestgerüsteten Militärmacht seiner Zeit, der Ritter und Söldner aus aller Herren Länder angehörten, in den Kurstaat einzufallen. Erstes Opfer sollte die Stadt Neuss sein, die nach Köln stärkste Festung am Niederrhein.
Die Stadt widersetzte sich elf Monate lang erfolgreich allen Stürmen und gab damit das Zeichen zu einer reichsumfassenden Aktion gegen den Herzog von Burgund, in dessen Lager vor Neuss Fürsten und Gesandte aus ganz Europa die Entwicklung beobachteten. Fürsten und Städte im Reich zwischen Lübeck und den schweizerischen und elsässischen Städten sandten ihre Kontingente zum Reichsheer, das unter der Führung Kaiser Friedrichs III. und des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg Neuss im Mai 1475 entsetzte und Karl den Kühnen zum Abzug zwang.
Zu den Bedingungen des Friedensschlusses, der der Stadt für die »größte rheinische Heldentat«, wie der Historiker sie nennt, für die damalige Zeit wichtige politische und wirtschaftliche Privilegien einbrachten, zählte als wichtigste Vereinbarung die Zustimmung Karls von Burgund zur Vermählung seiner Tochter Maria mit dem Kaisersohn Maximilian (-Der letzte Ritter«).
Auf diese Weise gelangte nach dem Tode Karls in der Schlacht bei Nancy (1477) die reiche burgundische Erbschaft in den Niederlanden und am Oberrhein an das Haus Habsbug, das seitdem zur europäischen Großmacht und zur Weltmacht aufstieg bis zu Kaiser Karl V., in dessen Reich die Sonne nicht unterging.
Hätte die Stadt Neuss damals nicht dem Herzog von Burgund widerstanden, hätte die Geschichte Europas einen anderen Weg genommen. Für das Rheinland bedeutete die Entscheidung von Neuss die weitere Zugehörigkeit zum Deutschen Reiche, für die Städte und Bürger war sie ein Zeichen im Kampfe gegen unumschränkte Fürstenmacht, für Mitentscheidung und Mitverantwortung im Staate, für kommunale und ständische Freiheit.
Die Sondermarke zeigt eine Wiedergabe des Holzschnitts »Nuis« aus Conrad Pfettisheim, Geschichte Peter Hagenbachs und der Burgunderkriege, gedruckt 1477 zu Straßburg von Heinrich Knoblochtzer. Das Werk befindet sich in der fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek Donaueschingen als Inkunabel 265.
Quelle: Deutsche Post
Entwurf der Marke: Prof. Carl Keidel
Stich: Grafische Werkstätten der Bundesdruckerei Berlin
Druck: Stichtiefdruck und Mehrfarben-Offsetdruck der Bundesdruckerei Berlin
Größe: 25,5 x 43 mm
Ausgabetag: 15. Mai 1975
Entwurf des Ersttagsstempels: Franz Steinmetz, das dargestellte Wappen der Stadt Neuss stammt aus dem Jahr 1475
Songline
20. Mrz 2010
Ein Stück Geschichte von gleich vor meiner Haustür. Schön zu lesen!