Die Schmerzpumpe, Uschi und ich

Wenn ich in 10 Tagen, also nach den beiden MRTs und der Lesung, die Schmerzpumpe bekomme, heißt es:
»Stoff im Stundentakt und Schmerzfreiheit.«
Meine Bedenken waren ja, das, wenn ich jetzt schon die volle Dröhnung bekomme, was ist, wenn ich erst in den letzten Atemzügen liege? Gibt es dann noch etwas, das mir diese Schmerzen nimmt?
»Ja«, sagte mein Arzt.
Das beruhigte mich. Ich sah Krebskranke, die litten in den letzten Tagen.
»Sie sollen den Schmerz nicht aushalten«, sagte der Dok, »dann schwindet die Lebensqualität.«
Er ist fürsorglich, kommt zu mir nach Hause, versorgt mich gut, ist da, wenn ich ihn brauche und ganz wichtig: Er hört mir zu.

Vor der Lesung möchte ich mich nicht an die Pumpe anschließen lassen, die über den Port laufen wird. Immer wieder fällt mir ein, wie gut die Endscheidung, einen Port implantieren zu lassen, war. Die Schmerzen, die er anfangs bereitete, sind vergessen, obwohl ich mir geschworen habe, die nie zu vergessen. Während der ersten Chemo war ich mir schon selbst dankbar, sah ich doch andere Patienten, in deren Venen herumgestochert wurde, weil die bereits durch die Therapie gelitten hatten. Inzwischen kann mir sogar Blut durch das Implantat abgenommen werden. Ich bin nie regelmäßig zur Reinigung des Ports gegangen. Letztes Jahr wurde er erst mal wieder reaktiviert.
»Was ist, wenn das nicht geht?«, fragte ich.
»Dann muss er ausgetauscht werden.«
»Na, das lehne ich kategorisch ab.«

Ich bin und war nie eine leichte Patientin gewesen. Wie mein Mann verließ ich die Kliniken, sobald ich wieder laufen konnte. Wir waren uns sehr ähnlich oder wir arbeiteten darauf zu. Irgendwie haben wir uns nie Vorwürfe wegen unserer Unvernunft gemacht. Wenn man immer auf volles Risiko gelebt hat, sind abgeschlossene Räume wie ein Horrortrip, weshalb Krankenhauszimmer da keine Ausnahme machten.

Heute habe ich mit meiner Freundin wieder über das Hospiz gesprochen. Sie möchte mich gar nicht an eins verlieren.
»So, wie es jetzt ist, kann ich zu jeder Tages- und Nachtzeit zu dir kommen«, sagte sie.
»Und wenn ich nicht mehr kann? Willst du mir dann den Hintern abwischen?«
»Würde dich das deinetwegen oder meinetwegen stören?«
»Beides.«
»Dann könnte man immer noch einen Pflegedienst hinzuziehen.«
Ich dachte, dass ich den Toilettenwagen ja schon habe, vielleicht war es in dem Augenblick ein unangemessener Gedanke, ich brauche den ja noch nicht, aber irgendwie kam er mir in den Kopf und ich grinste.
»Wir können uns am Freitag ein Einzelzimmer in einem Pflegeheim ansehen«, hörte ich meine Freundin.
»Gut.«

Später telefonierten wir noch miteinander und kamen wieder darauf zu sprechen.
»Ich kann nicht damit umgehen, dass du nicht mehr da bist.«
»Und ich kann nicht damit umgehen, dass ich dich überfordere.«
Sie atmete laut aus. Es ging eine Weile hin und her, dann entschieden wir, dass wir abwarten, was passiert.
»Ich habe meine Uschi, mein Krankenbett und bald eine Schmerzpumpe. Vielleicht ist es am Besten, den Rest auf uns zukommen zu lassen«, lenkte ich ein.
»Wie habe ich darauf gewartet«, lächelte sie.