Und wenn, dann ohne mich
Es ist Abend, dunkel bereits, obwohl es noch so früh ist. Letztens sind wir ungefähr um diese Zeit heimgekehrt und ich sagte:
„Wow, der Himmel ist ein Foto wert.“
Heute kam mein Arzt und schloss die Schmerzpumpe an. Was es alles gibt, ich war total überrascht. Ja, ich wusste, dass es diese Pumpe gibt, aber wenn man sie dann sieht, ist es noch mal was anderes. Man kann sie sogar an dem Rollator befestigen. Nach vier Stunden muss man sie wieder an den Strom anschließen, spätestens dann ist das Akku leer. Ich brauche jetzt nur noch drücken und schwupps, habe ich neben der automatischen Dosis, die der Arzt eingestellt hat, eine zusätzliche. Das ist genial, ich habe heute wirklich kaum Schmerzen gehabt. Die Müdigkeit macht mir Probleme, ich schlafe und schlafe und schlafe.
„Müdigkeit ist der Schmerz der Leber“, hat mein Mann immer gesagt.
Die Leber macht fast wirklich keine Schmerzen, auch wenn „gar keine“ nicht stimmt. Ich redete mit meiner Freundin über die Kaffeefahrt, danach über das Jahrestreffen des Literaturforums. Irgendwie ist es noch lange hin. Ich weiß gar nicht, ob ich da noch lebe, auch wenn ich bereits die erste Prognose der Ärzte überlebt habe. Mir schwirrt der Tod im Kopf herum. Vielleicht ist es auch so eine Art Angst, vielleicht aber auch nur diese Ungewissheit. Ich weiß es nicht.
„Was, wenn ich die Lesung diesen Monat nicht halten kann?“, fragte ich.
„Dann übernehme ich das, mach dir keine Sorgen.“
„Okay“, sagte ich, „dann ist gut.“
Ich würde mir wünschen, dass meine Freundin an dem Jahrestreffen teilnimmt, mit oder ohne mich. Eigentlich kümmere ich mich jetzt schon um ihre Ablenkung und weiß, das will sie sicher nicht. Warum ich mich so sorge? Weil ich jeden Tag in ihr Gesicht schaue, jeden Tag sehe, wie sehr sie mich nicht loslassen will. Dann komme ich wieder bei diesem Spruch an, den sie stets mit meinem Bruder teilte:
„Gehen müssen, auch wenn man bleiben will.“
Ich will ja gar nicht bleiben, ich möchte nur meine Dinge erledigt wissen, und wenn ich nur die Hälfte hinbekomme.
Hin- und hergerissen. Ich.