Das geschundene Ich und die Fragen

Ach weißt du, manchmal möchte ich dir so gerne viel mehr erzählen. Dann aber frage ich mich, ob ich nicht nur das virtuelle Ergebnis am Ende von vielen virtuellen Resultaten bin. Mir bewusst darüber, dass viele, wie ich eben auch, an ihren Lebenshäusern basteln, frage ich: “Wie sieht deins eigentlich aus? Auch so nichtssagend wie meines?” Diese Frage verwerfe ich, weil ich keine Antworten erwarte. Worüber lohnt sich, eine Träne zu vergießen, ohne dass sie nicht reine Vergeudung ist? Der Blick auf die Uhr lässt mich den Kopf schütteln. Zeitverschwendung ist doch kein Hobby, oder?

Irgendwann möchte ich mehr sein als ein Wort, das du liest. Dazu müsste ich bereit sein, dieses virtuelle Haus zu räumen und endgültig auszuziehen. Ich nehme mir ein Sofakissen, es lag auf dem Weg zwischen Küche und Schlafzimmer. Das erste Stück Stoff, das sich an mich schmiegt, als hätte es keine andere Aufgabe. Ich streichle darüber, zupfe an den vier Ecken und stelle mir vor, jemand würde mich so sehr an sich ziehen, wie ich dieses Etwas, welches für Behaglichkeit steht. Meine Wünsche sind mit den Jahren, die ich älter wurde, geschrumpft.

Das Minimum, aus dem ich weitere Kleins entferne, wehrt sich mit aller Kraft. Mein Weltbild liegt irgendwo zwischen Haustür und Treppenaufgang. Gestern erst sang es noch mit mir. Ach, ich würde dir so gern viel mehr erzählen … aber mich trübt ein virtueller Untergang. Könnte ich von meinem schwarzen Humor eine dicke Scheibe abschneiden, würde ich sie den Hunden in Spaniens Zwingern vorwerfen:

So aber füttere ich nur meine Tumore.

Prose makes me a Star

Liebe Netzkritzler

Ich fange gerade an meine Texte in verschiedene Bücher zu packen. Ist nur BookRix, nichts weltbewegendes. Ich möchte meine geschriebenen Werke nur einmal als Buch sehen, als Buch, welches nicht gebunden oder unter Vertrag genommen wird, was mir klar ist, aber ein Buch ist ein Buch ist ein Buch … würde mein Sohn jetzt sagen.  Ein Neubeginn ist nichts Neues für mich, ich fange ständig neu an. Trivial fast. Natürlich lege ich großen Wert auf Feedback, wobei ich keins erwarte. Die Überraschung gelingt also immer. 🙂 Ich scherze. Ich halte mich nicht für eine begnadete Schreiberin, mein Herz schon. Literatur ist wie zerbrechliches Porzellan und so behandele ich sie fast immer. Leider ist nicht alles Literatur, was geschrieben und dann auch gepostet wird, aber das ist auch nichts Neues. Meine Bauchgefühle sind durch Sätze, Wörter, Silben, Kapitel und Leidenschaft in Bücher gefasst. Vielleicht mögt ihr sie lesen, was mich freuen würde. Ich fange mal an:

Sie nahmen mir meine Worte und ersetzten sie durch andere. Ob sie meine Werke dadurch besser machten?
„Frauenliteratur kommt nicht an“, hieß es.
Jahrelang ließ ich mich von diesem Spruch beeinflussen.
Dann kam Harry Potter.
Geschrieben: von einer Frau.
Sie sagten: „Kinderkram.“
Ein weiterer Zweifel nahm mich in den Würgegriff.
Es ist Zeit, ihre Meinung zu untergraben.

Was kann ich schon?

Was kann ich schon

Heute Morgen war ich unterwegs. Ich entließ meine Blicke, sie folgten den vorbeirasenden Autos. „So einen hatten wir auch“, dachte ich, als ich einem Wagen ganz besonders lange nachsah. „Wir fahren an die See“, hast du gesagt. Letztes Jahr erst. Die Zeit hat mich vergessen. Ich parke an einem Grenzstein, auf dem irgendeine in Rot gefasste Zahl steht. „Nimm Platz“, sagte jemand hinter mir. Ich wusste, würde ich mich umdrehen … Weißt du, wie sehr ich dich vermisse? Ich habe nichts entsorgt, ist alles in meinem Kopf. Wie du getanzt hast, gesungen, gelacht. Manchmal sind mir deine Worte fremd, manchmal meine eigenen. Ich werfe unsere Geschichten in die Luft und warte, was zurückkommt. „Ariel“, schreist du und ich denke an die Meerjungfrau. Niemals deine Tiefen erreichen zu können, macht mich nicht traurig. Meine als deine zu begreifen, schon.

Got a skin (Mit Audio)

Im Dunkel einer jeden sich wiederholenden Nacht ist ein Geräusch mehr als ein Geräusch und ein Gefühl weniger als Angst. Über Gänsehaut gestreichelt, ist mir mein Paradies, was anderen Hölle. Nach dem Schlafenlegen steht man auf. Vor dem Überziehen einer zweiten und letztendlich vertrauten Haut, steht ein gedankenloses Offline.

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ISBN: 978-3-7368-1876-7 | 0.00 €

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Kapitel 1: Got a dance

Ich möchte dir von meinem Traum erzählen, einer dunklen Seite in mir und dem Flug des Phönix. Morgentau auf meiner leicht verbrannten Haut. Ich dachte an dich, als ich mich zwischen Ufer und Flusslauf legte, um mich in kleinen Wellenbergen zu spiegeln.

Es war Winter, wir sahen uns und sagten goodbye. Ich erlebte die dunkle Seite des Abschieds und fragte mich, ob die Toten in einen Raum gehen oder durch Wände, denn ich roch noch dein herbes Parfum. In Betten eingelagerte Sehnsüchte. Manchmal hole ich sie hervor und rede mit dir. Zwei Gesichter, die sich forcieren. Alles in Packeis.

Ich erzähle dich tanzend, auf Dielen, die knarren, während ich mich Mal für Mal in dieses Geräusch verliebe. Es knistert, leise, wie ein Lagerfeuer kurz bevor es verlischt. Die Glut bist du. Gleichgültige Wehmut. Wohin nur soll ich gehen, wenn alle Wege mit deinen Hürden versehen meine Berge werden?

Etwas ragt aus mir heraus. Scheint, als wolle es flüchten. Du läufst hinter die Wand und wirst eins mit ihr. Das Bild am viel zu kurzen Nagel vibriert. Ich halluziniere. Mein Telefon war’s. Verzeih. Morgen werde ich dein erster Tau zwischen Lippen sein, die nach wilden Küssen schmeckten und nach verdorbenem Wein.

Got To Dance

Ich mache so Dinge

Du hast oft über Dinge geredet und hast sie auch so genannt. Langsam gewöhne ich mich an den Alltag ohne dich, der mit dir nicht leichter war, aber ereignisreicher. Ich wünschte, ich könnte über farbenfrohe Kalendereinträge lachen, weil du sie mit irgendwelchen Bildchen bereichert hast. So werde ich bis Ende dieses Jahres an deinen hübschen Smilies meine Freude haben dürfen und auch meinen Schmerz. Vielleicht reibe ich mich mit der Leidenschaft an allem auf, die ich sonst in unsere Liebe investierte. Liebe ist weit weg. Ich sage oft: „Lauf schon voraus, ich hole dich irgendwann wieder ein.“ Du hast gesagt: „Der Himmel hat auch keinen Plan.“ Wir liegen brach. Du in deiner Urne, ich in meinem Leben. „Dafür ist sie schön“, sagst du. Spinner – denke ich – du blöder Spinner. Bringst mich jetzt noch zum Lachen. Mit Tränen in den Augen. Das ist so hässlich.

Die Letzten und die Letzten

Sitze wie ein Vogel auf einer Leitung, denke über Gesagtes nach und schreibe in meinen Tagesplaner: Arzt nach neuen Pillen und einer Therapie fragen. Der Letzte, der mich begriffen hat, ist fort. Die Letzten, die ich begreifen wollte, auch. Über gewisse Stücke zu spekulieren, überlasse ich denen, die keinen Spiegel haben, über solche Stücke nachzudenken, denen, die wissen womit.

05.03.2014

Schlicht! Ich habe dies alles schlicht gehalten, weil er es nicht anders gewollt hätte.

Mea Culpa. Meine Schuld ist unermesslich und er würde jetzt sagen: „Nein, das ist sie nicht, weil du nicht schuld bist.“ Ginge es nicht um ihn, würde er meine Hand halten und mich an sich drücken, um meine Gedanken zu teilen, mich von ihnen heilen, tröstend sich um mich legen oder vor mich werfen. Wo war er, wenn ich ihn am dringendsten brauchte? Ich wurde das oft gefragt und ich fragte es mich oft. Seine Antwort war immer: „Ich bin bei dir, in jeder Minute, in der ich atme. Ich war bei ihm, in jeder Minute, die er vergaß Luft zu holen. Bis auf einmal.

Dieses eine Mal ist: … warum ich nun hier stehe und diese Dinge sage: Sein Lachen war ansteckend, seine Traurigkeit mitreißend, wie sein Humor. Hilfsbereit war er und großherzig. Ich schätzte zahllose Eigenschaften, die aufzuzählen diese Zeit nicht ausreichen würde. Ich sagte: „Du riechst nach Sommer“, und er antwortete: „Das ist nur der Angstschweiß.“ Diese einmalige Schlagfertigkeit war, was ich liebte, neben all den Dingen, die zu lieben bereit, er mich gemacht hat.

Wir haben eine Reise unternommen und haben ein Ziel nie aus den Augen verloren: Den Respekt vor uns. Es war nicht eine Minute langweilig mit ihm. Gerade jetzt würde er den Kopf schütteln und mir sagen, dass er ein Nichtsnutz unter Nichtsnutzen ist. Aber wäre ich nur halb so bescheiden wie er war, würde ich nicht hier stehen und mein Herz sagen lassen, was mein Herz flüstert, in jeder Nacht, die er mir fehlt, weil er da ist – auch wenn er es nicht ist.

Ich habe ihn 2000 kennengelernt. Kurz vor Silvester stand er vor mir an dem DJ-Pult und sagte, er müsse nach Hause fahren und sei nach Weihnachten wieder da. Ich habe mit den Schultern gezuckt und dachte: „Wieder so einer.“ Nein, er war nicht wieder so einer. Am 30.12.2000 war er zurück. Wir kamen uns in nur einer Nacht, in der ich ihm alles über mich erzählte und er zuhörte, näher. Dieses Zuhören machte mich verliebt in ihn. Beim ersten Betreten seiner Wohnung sah ich ihm auf seinen kleinen Hintern. Später beichtete ich: „Ich wollte dir damals rein kneifen.“ Er sagte: „Dann wären wir kein Paar geworden.“ Fortan kniff ich ihm immer in diesen kleinen Hintern und er grinste.

Heute stehe ich hier und denke, wir hatten gar keine Zeit. Es ist so viel offen geblieben. Im Stress und aus Sorge um unsere Söhne sind wir manche Nacht nicht in den Schlaf gekommen, es folgte die Insolvenz der Firma. Er verlor Boden. Betrank sich. 2004 habe ich ihn geheiratet. Ich ihn, weil ich ihn fragte, ob wir uns trauen wollen. „Lass uns heiraten“, sagte ich und er: „Walhai“. Ich stieß ihn an und er scherzte: „Ich dachte, du willst Haie raten.“ Er war wunderbar, zärtlich, nah. Ich sehe seine Gestiken, seine verschiedenen Grimassen. Wenn er schmollte, lachte ich. „Du lachst mich immer nur aus“, sagte er. Und ich: „Ich lache dich an, Schatz.“

„Ich pass auf dich auf“, hat er immer gesagt. Seine innere Zerrissenheit war mir bewusst, dennoch erfüllte er mir jeden meiner Wünsche, war er auch noch so groß. Wir fuhren nachts durch die Straßen, hörten laute Musik. Sangen manchmal mit. Ich möchte ihn erzählen. Möchte nichts vergessen. Nicht die Partys, die wir gefeiert haben, und nicht die erste Fahrt nach Rostock. Sein Vater war ihm wichtig. Er rief ihn manchmal nach einem Boxkampf im TV an oder redete mit ihm über die WM. Mit seiner Mutter sprach er jeden zweiten Tag, sie telefonierten sehr oft, auch ihr wollte er Trost sein. Seine Familie war ihm wichtig und er hätte jetzt gesagt: „Wie es sich gehört.“ Über seinen Bruder redete er selten, aber wenn, dann war da auch immer der Schelm, der mir erzählte, dass er auf einem der Geburtstage sagte: „Kommt Hans und Jürgen, ihr beiden.“

Wie er mit Freunden ein Boot „ausgeliehen“ hat, wie er sich über ein Motorrad freute, das gar nicht für ihn war und … Es gibt unzählige Dinge, die er mir erzählte, manche auch zwei und dreimal. Wo er überall war und dass er nicht gerne fliegt. Dass lediglich eine Tür von ihm bleibt, wenn er mal stirbt. Ich habe ihm versprochen es wird mehr bleiben, und halte es, weil es Geschichten sind, die von ihm bleiben.

Ich sehe ihn, höre, wie er mich etwas fragt, höre mich, wie ich ihn etwas frage und keine Antwort bekomme oder nur eine sehr leise. Als ich ihn anflehte wieder aufzustehen, sagte, dass der Boden viel zu kalt ist … als ich die Sanitäter fragte, ob sie ihn mir wieder heile machen, als ich begreifen sollte, dass es nicht mehr geht … als ich schrie, dass ich schuld bin … ich, weil ich ihn diesmal nicht gerettet habe, diesmal nicht … Da war etwas, das den Atem anhielt: Das war ich. Ich will den Atem anhalten, damit es leise wird und er laut.

Mit jeden Tag, der vergeht, mit jedem seiner Stücke, die Dinge, die ihm wichtig waren, von denen er wollte, dass ich sie habe, fühle ich mich wie eine Diebin, weil es seine sind. Die Liebe, die er mir gab, erwarte ich von niemandem mehr. Die, die ich ihm gab, gab ich ihm mit. Er sagte immer, er würde zurückkommen und sich an mein Bett setzen. Ich habe seinen Mantel, seinen Hut und Schal, für den Fall, dass er im Winter kommt. Er war allein, als er starb. Allein. Das wird er jetzt nie mehr sein. Nie mehr.

Ich liebe dich, mein Herz. Nicht nur gestern.

Anmerkung: Diese Rede habe ich auf der Trauerfeier zur Beerdigung meines Mannes selbst verfasst und gesprochen. Mein Dank gilt: Meinen Söhnen, meiner Familie, Freunden, Nachbarn und Bekannten.