Ein kleiner Engel auf Reisen (Impressionen einer Bahnreise 2001)

(diesen Text hab ich vor 9 Jahren mal während einer längeren Bahnreise geschrieben)

Grauer Himmel, unendlich weit. Felder, Häuser, Straßen, Wege ziehen vorüber. Die Welt scheint ausgestorben, versunken in Stille, als hätte ihr jemand alles Leben ausgesaugt. Nur im Zug sitzen Familien, Singles, Paare, Denker, Träumer…, alle wollen sie irgendwo hin. Steigen ein oder steigen aus und verschwinden irgendwo in der grauen Stille der Straßen. Unter den vielen Reisenden befindet sich auch ein kleiner scheuer Engel, der die wundersame Stille schätzt und sich durch Musik vor den lauten, komischen, Fahrgästen schützt. Die schützenden Mauern sind aufgestellt, eingeschlossen in der eigenen kleinen Welt, reist er kleine Engel nun unter all diesen Menschen. Nach außen hin still und unauffällig, von den Anderen kaum beachtet, hängt der Engel sienen Gedanken nach. Der Discman spielt von Evanescence ‚Hello‘, ein Lied, das dem Engelchen immer wieder Tränen in die Augen treibt..doch weinen tut das Engelchen nicht, es weint fast nie, wenn dann auf seine eigene weise, doch es darf so nicht weinen…und es hält sich mit viel Mühe auch daran!…Draußen wird es etwas heller, doch die Straßen bleiben leer..es fängt wieder an zu regnen. Das Engelchen packt sich warm ein um den Zug zu wechseln, denn draußen ist es kalt und nass. Der neue Zug ist etwas voller, aber die Leute scheinen nett zu sein…Das Engelchen hat mal gewagt, sich mit einem Fahrgast zu unterhalten, eine Frau, wahrscheinlich so um die 30…Jetzt hat sie wieder ihre Ruhe und hört weiter Evanescence, immer darum bemüht, die Mauer aufrecht zu erhalten. Nach aussen hin wirkt der kleine Engel wahrscheinlich kühl und hart, doch das ist ja auch Absicht, geht schließlich niemanden etwas an, wie es in der dunklen Seele des kleinen Wesens aussieht. Nur ein paar bestimmte Engel dürfen hinter die Mauern schauen…die Mauern, die inzwischen anfangen zu bröckeln, drohen einzustürzen, aber immerwieder repariert werden. Draußen hat es mal wieder aufgehört zu regnen, doch es herrscht immernoch dise graue Stimmung; Alles wirkt so verlassen, als gäbe es nur noch die Reisenden im Zug und an den Bahnhöfen. Die Zeit scheint zu stehen, von Hektik ist nichts zu merken. Wieder hat sich jemand zu dem kleinen  Engel gesetzt, aber da das Engelchen keine Lust hat sich zu unterhalten, hört es weiterhin Musik und starrt hinaus in den Himmel. Mit den Gedanken wie sooft in seiner eigenen kleinen Welt. Nun ist es auch schon Nachmittags; wieder neuer Zug, wieder neue Leute. Der Sitzplatz ist auch nicht mehr so bequem und der Zug ziemlich voll. Draußen wird es wieder dunkel. Inzwischen läuft zur Abwechslung mal wieder Nightwish auf dem Discman, als Abwechslung, denn in diesem Zug fühlt sich der kleine Engel nicht sehr wohl. Die Dörfer und Städte, die vorbeiziehn, wirken immernoch so Menschenleer. Obwohl es schon dämmrig ist, sind kaum Lichter zu erblicken. Das Englein wundert sich über diese Leere. Ja, es war alles irgendwie recht merkwürdig. Der kleine Engel schob die Gedanken darüber zur Seite und freute sich schon auf das Treffen mit einem seiner Schutzengel. Ja auch kleine Engel haben Schutzengel! ;o)…

  • Hm, dass ein Engel eine Schutzengel braucht, ist eine schöne Vorstellung…
    Ich vermisse an der Geschichte die Aufgabe, das Wesen des Engels. Immer wartete ich darauf, zu erfahren, warum der stille Engel ein solcher ist.
    Aber es ist ja eine Reiseimpression. Es kommt wohl weniger auf den Engel selbst als vielmehr auf die Wahrnehmung der einsamen, grauen Umwelt an.
    Gern gelesen!

  • Mir hat in dieser Geschichte nichts gefehlt, im Gegenteil, ich hatte ein sehr deutliches Bild vor Augen, Hello von Evanescence in Ohr und meine Phantasie, mir den Grund der Reise und das Treffen mit dem Schutzengel vorzustellen.
    Der kleine Engel kann ein Scheidungskind sein, das über’s Wochenende zu seinem Vater fährt, es kann aber auch jemand ganz anderes sein. Dass es dem Leser überlassen bleibt, dies selbst zu interpretieren, mag ich.

    Das aus meiner Sicht einzige kleine Manko des Textes sind fehlende Absätze.