Von meinem Ende

Von meinem Ende

vorurteilsfrei wurde ich geboren
ein Kind der Toleranz
meine Mutter lehrte mich vieles
vor allem aber bestand
sie darauf mich in Menschlichkeit zu üben
mein Leben nur begrenzt durch die Freiheit zu führen

nun ist Mutter fort
verließ diesen Ort
gestorben an einer Krankheit
deren furchtbares Geheimnis
unergründet bleibt

stattdessen streitet sich
laut und ohne Rücksicht
ihre bucklige Verwandtschaft um mich
und während Hass und Gier
Wut und Gnadenlosigkeit
im Kugelhagel der Sinnlosigkeit
aufeinander losgehen
wird mir vor Angst ganz kalt

ich verblute und verrecke
mit all meinen Brüdern und Schwestern
Söhnen und Töchtern
neugeboren oder schon alt
und der letzte unserer Schreie verhallt

  • Bucklige Verwandtschaft streitet um das Erbe: die Autorin.
    Und der Leser amüsiert sich beim Lesen wie die verknäuelte
    Bucklersippe sich auslöscht und die Autorin,deren letzter Schrei ist dieses Gedicht, eine Drehorgel dazu würde der Moritat gut stehn.

  • Das „Kind der Toleranz“ gerät an einen Punkt, in dem die Lehren der Mutter zur Farce geraten. Dieses Umsichschlagen ist ein neu gewonnenes Stück der bisher begrenzten Freiheit.

  • Vor allem wollte ich auf das Dilemma in Krisen-und Kriegsgebieten aufmerksam machen. Ein jeder wird vorurteilsfrei geboren, doch stirbt die Toleranz, ist es nicht gut um die Menschlichkeit bestellt. Jeden Tag werden wir mit dem Resultat konfrontiert.