Lieb ‚bitte‘ sagen

Mein Wagen war auf halber Strecke liegengeblieben, unter der Motorhaube rauchte es. Ganz Frau, stieg ich aus und öffnete sie. Das, was mir entgegenkam, war mit einem einfachen ‚die Hand vor Augen nicht mehr sehen‘ nicht zu erklären. Ich hatte mich in Schale geworfen und wollte da jetzt auch nichts anfassen, streckte meinen Daumen in die Höhe und wartete auf den einen, der mir helfend zur Hand gehen würde. Nach 20 Minuten legte ein Golf – Fahrer eine Vollbremsung hin und kam knapp vor meinen Kniescheiben zum Halten. Ich atmete zum ersten Mal durch und überspielte meine höchst gefährlichen Gedanken mit einem strahlenden Lächeln.
“Kann ich Ihnen helfen?”, fragte er.
Ich dachte: “Nein, du kannst mir nicht helfen, ich stehe aus Spaß an der Freude vor einer offenen Motorhaube”, riss mich zusammen und nickte freundlich.
“Was hat er denn?”
Er? Wieso sind alle Autos immer ‚er‘? Meins ist eine zickige Sie, könnte ich sie umformen, wäre sie ein Modell und nicht ein Ford-Model.
“Ich weiß es nicht, ich bin keine Expertin.”
“Frauen”, prollte er und warf einen kurzen Blick auf den Motor: “Haben Sie den Wasserstand geprüft?”
Wasserstand? Ist das ein Teich oder ein Auto? Ich sagte: “Nein.”
“Ich könnte sie abschleppen.”
Dass er das gerne würde, hatte ich mir fast gedacht: “Ich rufe besser den ADAC.”
“Wenn Sie lieb ‚bitte‘ sagen, fahre ich für Sie zur Tankstelle.”
Lieb ‚bitte‘ sagen? Das letzte Mal, dass ich lieb ‚bitte‘ gesagt habe, war im Kindergarten, als mir dieser Moritz sein neues Dreirad leihen sollte, was hatte es gebracht? Nichts. Ich musste ihn runterschubsen und mir nehmen was ich wollte und so ist es geblieben.
“Ich rufe den ADAC, Sie wissen schon, die gelben Engel.”
“Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß.”
Spaß? Er stieg in seine Angeberkarre, winkte und weg war er.

Der nette gelbe Engel, der nach einer Stunde erschien, als wäre er tatsächlich vom Himmel heruntergekommen, fragte: “Was hat er denn?”
Ich sagte: “Kein Wasser, schätze ich.”
“Sie schätzen? Ich sehe mir das lieber mal genauer an.”
Ich ließ meiner Neugier freien Lauf und starrte wie gebannt auf den Motor, – nein – ich starrte auf seine starken Hände, stellte mir vor, wie die mich halten und abtasten würden, mir wurde heiß. “Ein Kolbenfresser”, sagte er.
“Ein Nagetier? Können Sie das wohl, ohne es zu töten, aus meinem Motor entfernen?”
Dass mich je ein Mann auf offener Straße derart dreckig auslachen würde, hätte ich nie für möglich gehalten.

© Sasha

  • Das muss eine Blondine sein, wunderbar!!! Schon morgens so eine Schmunzelei, das wird ein schöner Tag!

  • Eine klasse Satire.