Und wieder 3.00 Uhr morgens

Zwei

Ich wurde wach, diesmal ohne Schmerzen, bin in die Küche – nein – zuerst ins Bad, danach zu meinem Lieblingsplatz ans Fenster und habe mir dort eine geraucht. Weißt du noch, als ich dir sagte: »Ich wäre viel lieber ein Mann geworden«, und du sagtest: »Das wäre bedauerlich.« Daran denke ich komischerweise sehr oft. Gestern habe ich mir, nach unendlich langer Zeit, mal wieder einen Film angesehen. »Ziemlich beste Freunde«, selbst Kevin gefiel der, auch wenn er ihn schon kannte. Natürlich ist er eingeschlafen. Ich legte mich neben ihn aufs Sofa und legte meinen Arm um ihn. Vielleicht vermissen meine Söhne das. Vielleicht vermissen sie mich jetzt schon, weil ich nur noch da bin, nicht mehr. Ich sehe an manchen Tagen durch sie durch, hebe ein Handtuch im Bad auf, lege es in die Wäsche und sage nichts dazu. Meine Wohnung ist das lange nicht mehr.

Unsere Söhne ziehen nicht mehr aus, nachdem sie wieder eingezogen sind. Sie haben Angst. Ich warte nicht darauf, dass sie gehen. Vielleicht aber ist es andersrum. Andrea wollte wissen, ob ich endlich den Termin beim Onkologen gemacht habe. Wir träumen davon, mit einem Bulli die Welt zu bereisen. Ich glaube, sie träumt weniger als ich, sie schaut sich schon nach welchen um. Mir reicht mein Finger auf der Landkarte oder meine Gedanken reisend, nach Frankreich. Da kenne ich mich aus. Weißt du Schatz, ich verliere. »Irgendwann geben wir alle den Löffel ab«, sagst du. Ja, irgendwann, aber ich – bald. Manchmal möchte ich wissen, was danach passiert. Nicht mit mir. Das interessiert mich nicht. Aber wann immer ich diese Frage zurück in den großen Katalog packe, bleibt sie stets unberührt. Gute Nacht, my dear.

  • Mit dem Finger über die Landkarte kommen wir noch bis ans Ende der Welt 😀