Mut zur Hässlichkeit

Mit der Chemo verlor ich meine Haare und gewann an Gewicht. Cortison, die Medikamente gegen die Übelkeit, die, gegen sonstige Nebenwirkungen … nachts aufstehen müssen, um die Pillen für die Chemo einzunehmen und reichlich zu frühstücken, um die anstrengende Therapie einigermaßen zu schaffen … all das bedeutete, dass ich innerhalb eines halben Jahres von Größe 34/36 auf Größe 44/46 zunahm. Mein Mann sagte:
»Schatz, jetzt bekomme ich wenigstens keine blauen Flecken mehr«, womit er mich nicht verletzen, sondern aufbauen wollte.
Krebskranke sollten nicht eitel sein. Ich sah mich im Spiegel und sah keine Frau mehr, obwohl ich mich gegen alle Hilfsmittel – Kopftücher, Perrücke, Hüte und Mützen – auflehnte, trug ich sie oft. Es ist ja gar nicht nur der Kopfschmuck, der ausfällt. Die Augenbrauen und Wimpern verschwinden mit. Manchmal fühlte ich mich wie die Katzenberger, deren Brauen schlecht tätowiert und viel zu weit in die Stirn reichten.
»Male dir doch welche«, sagte mein Mann.
»MALEN?«, brüllte ich, »geht‹s noch?«

Dann kam dieser Tag am Wupperufer. Er wollte mich unbedingt fotografieren.
»Du siehst toll aus«, lächelte er.
Ich ließ mich überreden. Erst mit Kopftuch, dann ohne. Das Bild, als ich an dem Baum stand, wo er mein Profil ablichtete, war sein Highlight. Ich hasste es. Wie oft er mir gesagt hat, dass er mich liebt, nicht meine Äußerlichkeit – wie oft ich darauf hin genervt war – es gab Zeiten und es gab Zeitpunkte und dazwischen die verfluchte Therapie, die dann auch noch abgebrochen werden musste, weil sie die Nerven in meinen Beinen angegriffen hatte.
Ich bekam einen Rollstuhl.
»Wenn Sie die Medikamente schön regelmäßig einnehmen, können Sie bald wieder laufen«, erklärte mir mein Arzt.
Irgendwie gefiel mir die Bequemlichkeit, ich wurde durch die Gegend kutschiert, konnte motzen und maulen, mich aufregen … in so einem Rollstuhl bekommt Welpenschutz eine ganz neue Bedeutung. Sechs Wochen später übte ich an Krücken zu gehen, danach wurde alles wieder gut.

Ich ging zu keiner Vorsorgeuntersuchung. Von 2012 bis 2014 nicht, als die Schmerzen wieder anfingen. Selbst da glaubte ich noch, ich hätte mir nur eine Entzündung eingefangen und schluckte lustig Präparate dagegen. Die musste mir niemand verschreiben, die hatte ich noch in meiner Medikamentenschublade. Zwischen meiner Eigenen und der Rezidiv-Diagnose starb mein Mann. Ich pumpte mich mit Ibuprofen voll und bekam Magenprobleme. Irgendwie wollte ich keinen Arzt sehen. Irgendwann hielt ich die Schmerzen nicht mehr aus.

Ich holte die Fotos aus 2011 wieder hervor und betrachtete meine Glatze, danach betrachtete ich mich im Spiegel. Meine Haare sind gut nachgewachsen, auch wenn sie dünner wurden und lockiger. Mir stellte sich die Frage »Chemo ja oder nein« nicht. Dafür stimmte ich der Bestrahlung zu. Mein Onkologe schlug dann eine schwächere Chemotherapie vor. Ich willigte ein, auch wenn ich absolut dagegen war. Ende vom Lied? Mir ging es nur noch beschissen. Es gibt kein anderes Wort, welches es so gut beschreibt. Schließlich zog ich selbst die Notbremse, als ich fast wegen einer Dehydratation gestorben wäre. Das ist ein ganz übles Gefühl.

Die Menschen reden vom Kämpfen, vom bloß nicht aufgeben, über Mut. Zeitweise fühlte ich mich wie in einem Kreis, umringt von Leuten, die besser zusammen gesungen hätten, als mich mit diesem »Gib dich nicht auf« Gewäsch zu drangsalieren.

Sollst du lügen?

Es gibt so Tage, da bin ich einfach traurig. Einfach ist nicht wahr. Man ist nie einfach traurig. Traurigsein ist schwer. Dazu zu stehen vielleicht schwerer. Ich betrachte das Foto meines Mannes, das immer noch auf dem kleinen Schränkchen neben der Miniatururne steht und sage:
»Ich liebe dich.«
»Sollst du lügen?«, fragte er darauf stets.
Sollst du lügen?! Dieser Satz verfolgt mich, seit er gestorben ist. Hat er mir wirklich nicht geglaubt, dass ich ihn geliebt habe? Noch liebe? Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass er mich geliebt hat. Ich muss gar nicht erklären, warum ich das einfach so behaupte, was wirklich einfach ist.

Vielleicht hat er gar nicht gewusst, was sein »Sollst du lügen?« eines Tages mit mir anrichten könnte. Wir haben es nie abgeklärt. Warum auch? Keiner von uns hat wirklich darüber nachgedacht, dass er vor mir sterben würde, auch wenn der Krebs in seinem Körper älter als meiner war.  Letztendlich starb er auch nicht daran. Es war sein Diabetes.
»So einfach ist das«, höre ich ihn.
»Ach«, sage ich, »das war es nie.«

An manchen Abenden fahre ich mit meinem Finger über sein Foto. Es ist nicht so, als würde ich ihn berühren, es ist anders und trotzdem tröstlich. Erinnerungen bauen sich auf. Momente, in denen wir einfach nur lebten, uns treiben ließen, lachten, tanzten, sangen. Dazwischen fielen wir in tiefe Phasen tödlicher Traurigkeit, die uns an Orte zurückbrachte, denen wir entkommen waren. Aber nie ganz.
»Ich schmecke noch das Wasser, das von der Wand tropfte«, flüsterte er manchmal.
»Ich rieche die morastige Luft, es ist als stünde ich in dem Raum.«
Er zog mich fast immer auf sich, grinste frech und streichelte mir über die Stirn, als wolle er meine Bilder wegzaubern, was ihm gelang, während ich versagte.
Wie gern … beginnen viele meiner Gedanken … hätte ich …

Damals entfernt sich jeden Tag um Kilometer mehr. Ich halte fast krampfhaft an unserer Vergangenheit fest, sollte ich doch eher die Gegenwart annehmen.
»Und leben«, sagt er.
Das Schicksal hat es gut gemeint, als es uns abermals zusammenbrachte.
»Gut«, denke ich, »dass ich nicht an Zufälle glaube.«

Kaffeefahrt und Löffelliste

Endlich haben wir ein Wort für unser Vorhaben gefunden. Es kam uns heute, in der Küche, als wir mit den Köpfen über dem Topf mit dem Gulasch hingen, der stark nach Wild roch und auch so schmeckte. Köstlich. Wir haben bei dem Genuss gestöhnt, wie die Weltmeister. Er hat ihn zubereitet, weil er kochen kann und er bekommt keinen Namen, weil ›er‹ gut klingt. Kaffeefahrt bedeutet: Ich erstelle eine Route, die wir abfahren. Es geht quer durch Deutschland. All die Menschen, die mich kennenlernen möchten und die ich gerne kennenlernen möchte – Small Talk und Kaffee – fahren wir besuchen. Einige Ziele stehen schon fest.

Da ich fest entschlossen bin noch achtzehn plus eins Monate zu leben, wegen der Sterbeversicherung, könnte ich noch fast überall ankommen. Abenteuerurlaub, zumindest für mich. Jetzt, am Abend, da dachte ich, was ich alles einpacken muss, neben all den Medikamenten, meiner Uschi (Rollator) und eventuell dem Sauerstoffgerät, falls meine Lunge es nicht mehr ohne schafft. Wahrscheinlich ein paar Klamotten. Ich werde eine Liste anlegen, die nichts mit einem Löffel zutun hat. Ein Vorhaben ist gut, sich daran festbeißen nicht. Ich träume, auch wenn mir Wunder wie Kerzen ausgehen.

Wieder atme ich schwer. Ich fühle einen unsagbaren Druck auf der Brust. Meine Worte verlieren an Kraft, ich werde sie nur wieder löschen.
»Nein«, schüttelt meine Autorin mit dem Kopf, »das lasse ich nicht zu.«
»Aber«, stottere ich, »aber …«
»Keine Widerrede«, erwidert sie.
Ach, es ist nicht leicht über letzte Vorhaben und Zeit zu resümieren, wenn ich eigentlich das Leben meine, wenn ich schreie, dass ich kein Mitleid will, nur Zuhörer. Plötzlich stellt sich ein Gedanke wie eine Wand auf: »Lass sie reden.«
»Wen denn?«
Was bin ich wieder zu sehr ich, dass ich nicht sein will. Gott, oh Gott, ich lass dich besser aus dem Spiel. Die Tragik zieht den Hut, dabei war sie gar nicht gemeint.

»Vielleicht solltest du deine Krebserfahrung nur für Krebskranke schreiben«, mokierte ich mich.
»So?«, fragte sie, die Schreiberin, »warum?«
»Damit sich die ›Gesunden‹ nicht der eigenen Betroffenheit gegenübergestellt sehen, was ja zwingend erforderlich ist«, erwiderte ich zynisch.
»Du bist keine Ausnahme, Krebskranke gibt es in fast jeder Familie«, sagte sie übertrieben ironisch.
»Dann ist ja gut«, seufzte ich betroffen.

Manchmal ist es so, meistens ist es anders

An manchen Tagen beherrschen Aggressionen mein Handeln. Ich führe gar keinen Krieg gegen den Krebs, die Tumore oder den Metastasen. Unzufriedenheit und das Gefühl nicht verstanden zu werden, führen zu elitären Verhaltensweisen und dann zische ich wie eine Schlange. Leise. In mich rein. Bis eine Explosion meinen Freigeist erreicht. Es gab Menschen und Orte, die meine Hölle waren. Erwähnte ich das schon?

Als ich 2011 zum ersten Mal an Krebs erkrankte, glaubte ich an eine Heilung durch die Chemotherapie. Tapfer schlug ich mich durch die Tage, Wochen, Monate. Es hieß, mich mit Hormonen zu behandeln sei kontraproduktiv. Das ließ ich so stehen, weil mir gar nicht bewusst war, was das bedeuten könnte. 2014 war der Krebs zurück. Erst in den Knochen und der Leber, inzwischen überall.
»Systemkrebs«, sagte der Palliativmediziner.
»Das Kind hat einen Namen«, dachte ich, »juchhe.«

An dem Tag, an dem ich erfuhr, dass ER zurück ist, verabschiedete ich mich. Mein Trost ist, dass ich glaube, dass mich mein Mann abholt, wenn Tag X kommt. Ich sehe ihn schon, er trägt seine schwarze Anzughose und ein weißes Hemd, ein paar Knöpfe sind auf, was ich immer erotisch fand. Wie sehr ich seine Hände vermisse, seine Aufmerksamkeit, sein Dasein.
»Bald«, denke ich.
Tröstlich!

Manchmal, wenn die Aggressionen mich abholen, mich aufrütteln, an mir zehren, als sei ich Jacke und Hose, aber nicht Haut mit Mensch darunter, klappe ich wie ein Gartenstuhl zusammen, ziehe mich zurück und brülle:
»Du kannst mich mal.«
Danach lache ich wieder mit meiner Freundin, die meinen schwarzen Humor teilt. Natürlich, nachdem sie sich daran gewöhnt hat. Ich nehme ihre Hand und lass sie mich begleiten, was sich gut anfühlt, weil sie da ist.
»Ich sage Piep, wenn es nicht mehr geht«, versprach sie vor Kurzem.
»Ich sage, lass mich gehen, wenn du über dieses ‚Piep‘ hinausgehst«, erwiderte ich.
Man muss sich einig sein, auch ohne große Worte.

Wenn ich an kalten Tagen aus dem Fenster schaue und, über die Dächer des Hinterhofes hinweg, den Schnee oder das Eis sehe, dann atme ich aus, was wie Rauch aussieht und denke, dass man einfach verfliegt. Ich mag die Stille, die in solchen Momenten siegt, weil sie mich wie Holz auf Wasser treiben lässt. Ich liebe das Meer. Erwähnte ich das schon? Wahrscheinlich nebenbei.
Ganz bei mir erfinde ich Farben für die Metastasen und stelle mir vor, ich würde im Dunkeln leuchten.
»Glühwürmchen sind …«, sagte mein Mann immer.
»Was?«, fragte ich.
Er blieb mir eine Antwort schuldig.
Chapéu de feltro típica.

Offen und ehrlich

Ein Brief. Ein Text. Worte. Gedanken. Ich möchte mein Schicksal nicht mit dem anderer messen. Bilder einer Messlatte, eines Lineals, Geradlinigkeit. Bilder. Ich stelle mir vor, du hast jetzt genau die gesehen, die ich sah, als ich dies schrieb. Gedanken. Ich denke zu viel, ich sehe mir das nach. Das Ich. Der Egoismus. Betroffenheit. Nein, ich bin nicht betoffen und ich will nicht so wirken. Die Wirkung als Effekt. Reißerisch. Krebs.

Habe ich Angst? Natürlich habe ich Angst. Jeder kennt Angst und misst sie an der Eigenen. Warum? Weil sie messbar ist? Ist sie das? Ähnlich wie Fieber? Dann habe ich 42 Grad, Tendenz steigend. Irgendwo in mir sitzt die Blockade. Sie blockiert meine Gedanken, weil ich zu viel vorausahne. Dinge vielleicht, die so gar nicht sind. Erfahrungswerte. Leider! Oder glücklicherweise. Manches lässt sich dadurch verhindern, dass die Ahnungen fließen. Ich denke an Boote, Wasser, Paddel. Warum? Weil ich in einem Kutter sitze, beide Hände am Steuerrad, während an mir vorbei eine Möwe fliegt, ein Boot gegen Wellen kämpft und kein Land in Sicht ist. Obwohl die Möwe dafür steht.

Die weiße Fahne gehievt, die für Frieden und Stille. Im Reinen mit mir. Hört sich geordnet an. Hinter dem Vorhang stapeln sich Fragen. Ich ziehe die Unterste heraus und denke mir einen Turm, der kippelt. Etwas bricht aus meiner Mitte. Ich falte die Hände, sage:
„Es hätte ein Gebet werden können“, und lache.
Jetzt ist die Wirkung verpufft. Schade.

Krebs und andere Sorgen

So sitze ich da und denke an meine Erfindung: Die Erzählerin. Weißt du, sie ist mir sehr ähnlich. Vielleicht ist sie eine Spur zynischer und um eine Verlegenheit reicher, aber fast wie jene Muse, die ich liebte, lacht sie nur leise. Ich mag, wie sie lächelt.

Tabea ist anders. Sie wünscht sich jeden Tag etwas Neues. Über gesunde Kost spricht sie, rührt eine fettfreie Salatsoße an und meint, die würde irgendwie nach Sahne schmecken. Nicht, weil es stimmt, sondern, weil sie, sie mir schmackhaft machen möchte. Tabea kocht gerne. An manchen Tagen steht sie stundenlang am Herd und zaubert fünf Gerichte.
„Für Montag bis Freitag“, sagt sie stets, „am Wochenende kommt er und wird dir wieder nur sündhafte Speisen bestellen.“
Pommes, Schnitzel, Hamburger. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, während ich in dem Salat herumstochere. Jaja, der ist gesund. Was hat ein zerlegter Salatkopf davon, gesund zu sein? Eine Frage, die rhetorisch ist, weil mir meine Witze ausgingen. Tabea lacht trotzdem. Sie ist eben nett.

Ernster wird es, wenn der Arzt kommt. Dann wird die Stimmung düster, die Gesichter zur Faust geballt und zugehört. Das kleine Wunder, das in mir zu zerbersten droht, sich fortsetzt, zur Serie wird, mir Los ist … scheint für Augenblicke die Luft anzuhalten … oder ich.

Fusionen poetischer Wahrheit

Die Erzählerin, die ich bin, ist eine Erfindung der Autorin, die sie ist. Sie wiegt mich zwischen Haut und Falten, Wahrheit und Poesie, zwischen Welten.
»Wenn ich denn Text werde«, flüsterte ich, »bin ich auch Muse?«
»Meine Muse ist gestorben«, sagte sie, »und mit ihm mein Erzähler.«
Ach, ich hätte weinen können ob der Traurigkeit in ihrer Stimme und der Trauer in ihrem Blick. Dennoch … schlägt sie ein Buch auf, blättert leise Seiten um, pausiert und gedenkt seiner, ist das Feuer, welches oft auch Leidenschaft entfacht, heiß und intensiv.
»Fusionen poetischer Wahrheit«, sagte sie, »bedürfen besonderer Interpreten.«
Was bleibt mir, die ich erfunden wurde, anderes zu wünschen als: »Gute Unterhaltung?«
»Nichts«, lächelte sie, »nichts.«

Unkenruf

Am Teich saßen Frösche auf Steinen, sie starrten verharrend. Einer sprang hoch, griff sich ein Insekt aus der Luft und einem Vogel gleich, schwebte er für Sekunden und landete auf festem Grund. Das Rufen der Unken tönte hinter dichtem Gebüsch. Eine Libelle kreuzte meinen Blick, tänzelte flügelschlagend über Seerosen und verschwand schließlich. Die Wiese war feucht und weich, mein Körper fühlte sich umarmt. Dieser Duft und der Unkenruf … an einen Glockenschlag erinnernd. „Kurz vor …“, flüsterte ich, „ein Moment, dieses Leben, mehr ist es nicht.“

Put it in …

Du gleitest mir immer noch wie ein Schwert unter die Haut. Draußen scheint die Sonne, ich scheine auch, bin Scheinbare in dieser Welt, blute aus. Meine Tränen bleiben ein Geheimnis, das ich hinter verschlossenen Fenstern flüstere, wie dich. Auf kein Wiedersehen trinke ich und leere die Flasche Roten. Sicher, die Ernte war gut. Zwischen Gehsteig und Straße paaren sich Marienkäfer. So etwas habe ich noch nie gesehen. Für die unwesentlichen Dinge wird mir klar, bin ich nicht mehr blind.

Folgt mir doch auf meinen Blog, der ganz neu ist und auf Besucher wartet: Prosa-Queen. Ich freue mich auf euch. Silvi

Über beste Freundinnen und meinen Lieblingsmensch

Es ist mitten in der Nacht. September, der 20. um 04.44 Uhr. Noch vor einer Minute habe ich am Fenster gestanden und eine Zigarette geraucht, während ich auf heißes Wasser für meinen Latte Macchiatto wartete. Gedanken im Kopf.
Sie ist meine beste Freundin, dachte ich und dann, dass sie mehr ist. Beste Freundin klingt so falsch, so nicht genug, nicht gerecht werdend. Beste Freundinnen sind doch die, die mit dem Ehemann schlafen oder es sind die, die nicht ganz ehrlich sind, wenn man sie fragt, ob einem das Kleid steht oder ob es zu den Schuhen passt. Nein, denke ich, beste Freundin wird ihr nicht gerecht. Sie ist da, sie geht einen Weg mit mir. Gestern sagte ich:
»Ich habe meinen Ort gefunden.«
Sie lächelte und weiß einfach, wie ich was meine und fühlt mit. Als ich am Fenster stand und die Zigarette ausdrückte, dachte ich:
›Lieblingsmensch‹, nickte und wusste, das wird ihr gerecht. Mein Vertrauen liegt bei ihr in guten Händen. Vielleicht braucht jeder Mensch sein Wort für seinen Lieblingsmensch. Es sollte eine bessere Bezeichnung als beste Freundin oder bester Freund sein. Jetzt sitze ich hier und schreibe diese Worte, die ihr auch nicht gerecht werden. Befreit von Schmerzen, befreit durch Morphium, denke ich an den Tod, auf dessen Zielgerade ich bin. Meine Atemzüge werden bereits rückwärts abgezählt. Ich habe eine Weggefährtin und einen Ort. Wenn er will, kann er kommen. Wir sind vorbereitet. Dank ihr, sogar gut.