Geliebte Flavia

Lässig strich Rupert sich mit mit der linken Hand durch seine halblangen füllig gewellten roten Haare, während er mit seiner Rechten, genüsslich die Zigarette zum Mund führte und den Rauch tief in seine Lunge sog.
Eine kleine kreative Pause war jetzt genau das richtige. Dann lief alles gleich wieder wie von selbst.
Eisgekühltes Bier, die Packung mit den Glimmstängeln griffbereit, um gemütlich auf der Hollywoodschaukel die Seele baumeln zu lassen, und ein paar extra Streicheleinheiten für seine Flavia. So ließ es sich leben.
Rupert, ein schöner junger Mann mit hellem sommersprossigem Teint und seine edle Katze Flavia, die ihm in Schönheit und Feingliedrigkeit ebenbürtig war, wurde in seinen Kreisen nur „die Katze“
genannt. Was hauptsächlich darauf zurückzuführen war, dass er ebenso lautlos vorging wie selbige und in seiner Geschmeidigkeit in nichts dieser erlesenen Rasse nachstand. Und weil die anmutige Flavia seine Komplizin war. Keinen Einbruch ohne Flavia! – Die außergewöhnlich talentiert und ihm stets eine verlässliche Hilfe war.

Erneut stand Rupert in einem fremden Wohnzimmer und musste erst einmal seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen, um sich zurechtfinden zu können. Wie üblich war er durch die Terassentür, die wie meistens bei diesen sommerlichen Temperaturen auf Kippstellung stand, eingedrungen.
Manchmal musste er auch den Weg über den ein – oder anderen Balkon wählen, um sich Eintritt zu verschaffen. Aber das kam nur selten vor. Viel zu selten! Bedauerte Rupert, dessen Leidenschaft
das Klettern war. Noch bevor er sich ans Werk machen konnte, spürte er das kalte Metall, dass sich um seine feinen Handgelenke legte und hörte das erbarmungslose klicken der Handschellen, die das endgültige Aus für seine Freiheit bedeuten sollten. Das Licht ging an. Er sah sich von Polizisten umringt. Er rief geistesgegenwärtig nach Flavia. Nur sie konnte ihn jetzt noch retten. Aber sie war
unauffindbar.
„Ihr Alibi schleicht irgendwo draußen im Garten herum!“ der Polizist blickte aus dem Fenster. „Und wurde in diesem Moment eingefangen!“
„Aber sie hat doch gar nichts getan! Sie ist lediglich hier ins Haus gelaufen und ich bin ihr gefolgt!- Um sie zu suchen!“
„Natürlich! Wie schon unzählige Male zuvor. Ihr seid wirklich ein gerissenes Gespann! Ein recht ungewöhnliches Ganoven paar! – Der große rothaarige Rupert und seine kleine gelbe Flavia, und überaus erfolgreich … Bis zum heutigen Tag!“
„Eure Wege trennen sich hier! Du gehst ins Gefängnis und sie ins Tierheim!“ wetterte einer der anderen Polizisten.
Ein gellender Schrei des Entsetzens entfuhr Ruperts Mund, als er sah wie seine Frau den Raum betrat. „Du warst das! Du hast mich verraten, Du Biest!“ er wollte sich auf sie stürzen, wurde aber von einem der Polizisten zurückgehalten.
„Natürlich!“ lächelte sie süffisant. „Du hättest Deine Flavia eben nicht öfter streicheln dürfen, als mich. Über all das hätte ich noch hin weggesehen. Aber was ich Dir nicht verzeihen kann, ist das Du mich niemals gefragt hast, ob ich bei Deinen nächtlichen Beutezügen mitkommen will …“
Flavia stieß ebenfalls einen spitzen Schrei aus und krallte sich an seinem Shirt fest, während er schweißnass hoch schreckte und wild um sich blickte.
„Zum Glück, meine schöne Blonde, wir sind in Sicherheit.“ Rupert warf sich erleichtert in die Kissen seiner Hollywoodschaukel und kraulte zärtlich seine Katze.
„Alles in Ordnung, Flavia. Wir haben nur schlecht geträumt. Ein Albtraum eben. Alles ist gut!“
Sie legte den Kopf auf seine Brust und schnurrte zufrieden.
„Nichtsdestotrotz, meine geliebte Flavia, sollten wir vielleicht über eine größere kreative Pause
nachdenken und in naher Zukunft ein seriöses Leben in Erwägung ziehen … Und weißt Du was?
Ich sollte meiner Frau unbedingt ein paar extra Streicheleinheiten schenken …“

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Susanne Ulrike Maria Albrecht