Die Kontaktaufnahme
Im Jahr 1972 wurde die NASA-Raumsonde „Pioneer 10“ auf eine weite Reise durchs Weltall geschickt. Sie sollte in der Gegend von Jupiter einen kurzen Halt machen, um ein paar Fotos zu schießen und dann das Sonnensystem verlassen – auf zu neuen Welten. Die Menschen hofften, jemand würde die Blechkiste eines Tages finden und mit ihnen Kontakt aufnehmen.
Ein Jahr später beförderte die Raumfahrtbehörde eine Schwestersonde, auf den Namen „Pioneer 11“ getauft, ins All. In beiden Sonden wurden Plaketten mit possierlich-naiven Illustrationen und Skizzen untergebracht. Provisorische Weltraumkarten zeigten die Position des Sonnensystems in der Galaxis und die auf den Metallplatten eingravierten Bildnisse sollten intelligente Lebensformen auf den ersten Kontakt mit der menschlichen Rasse vorbereiten.
„Pioneer 10“ hatte jedoch kein Glück. Nach ein paar Jahrzehnten des Herumirrens im stockdunklen kosmischen Nichts begegnete der winzige Flugkörper einem anderen, weit größerem – einem einsamen Meteoriten. Dieser machte sich nichts aus all den Hoffnungen, welche die Menschheit in die Mission der Sonde setzte, und zerriss sie in Stücke.
Der zweite interstellare Bote begann seine Reise mit etwas mehr Erfolg. Er verließ hinterm Jupiter das Sonnensystem und irrte lange ziellos umher, bis er schließlich nach vielen, vielen Jahren einen Hafen erreichte, wo bereits würdige Empfänger warteten – die Braghhs vom Planeten Grrwr. Diese konnten ihr Glück kaum fassen, besonders da sie selbst erstaunliche Ähnlichkeit mit den Wesen aufwiesen, deren Porträts sie auf der Plakette im Inneren der Sonde fanden. Konnte es tatsächlich sein, dass es irgendwo im Weltall noch einen anderen Planeten gab, auf dem Braghhs wohnten? Alles wies darauf hin. Nachdem Experten den Ursprungsort des Boten errechnet hatten und klar wurde, wie nah – relativ gesehen – dieser sich befand, stand einer Reise zur Erde nichts mehr im Wege.
Die Wesen vom Planeten Grrwr hofften, dass sie auf intelligentes Leben stoßen würden. Genauso wie Menschen einst gehofft hatten, ihre kosmische Flaschenpost würde jemandem in die Hände fallen.
Unterdessen gab es auf der Erde keine Menschen mehr.
Im Jahre 2015 begannen sie an den Folgen einer bis dato nicht bekannten Krankheit auszusterben. Bis 2078 blieb niemand mehr übrig. Die Menschheit war sozusagen passé.
Als die Braghhs im irdischen Sonnensystem eintrafen, hatten bereits evolutorische Nachkommen einer unscheinbaren zierlichen Spezies, die zu Zeiten, als noch die Menschen regierten, unter dem Namen Oryctolagus Cuniculus, oder halt einfach Wildkaninchen, bekannt war, die Macht auf der Erde übernommen.
Die neuen Bewohner des Planeten bildeten eine harmonische und gut organisierte Zivilisation. Sie hatten genug zu essen und keine natürlichen Feinde. Sicher, ab und zu tauchten unerwartete Probleme auf, denen man die Stirn bieten musste, aber solange die Vorratskammern zum Bersten voll waren und jede Familie einen gemütlichen, schick eingerichteten Bau nur für sich hatte, rückten einzelne Fälle von Korruption oder Drogenmissbrach in den Hintergrund, wo sie auch hingehörten. Unter der gerechten Herrschaft der Grossen Kaninchens brauchte sich kein Mitglied der Gesellschaft Sorgen um den morgigen Tag zu machen. Die Zukunft versprach die Erfüllung aller noch nicht Realität gewordener Träume. Seit einiger Zeit wurde zwar hier und da von erhöhter Sterberate bei Neugeborenen und dem Auftreten einer geheimnisvollen Krankheit gemunkelt, die so manche Parallelen zu jener Seuche aufwies, die einst die Menschheit auf null dezimiert hatte, aber die Durchschnittsbürger machten sich nicht allzu viel aus den Gerüchten. Immerhin arbeiteten die schlausten Köpfe des Imperiums an einem Heilmittel.
Darüber hinaus geschah jeden Tag so viel Interessantes. Letztens erst wurde die Raumsonde „Karniccel 12“ ins All katapultiert. Auf speziellen Plaketten, die ihren Lagerraum schmückten, befanden sich unter anderem Porträts der neuen Erdenbewohner, wie auch eine primitive Weltraumkarte mit markierter Position der Erde. Der Grossteil der Wildkaninchen-Nachfahren war davon überzeugt, dass es in den Weiten der Milchstrasse andere intelligente Rassen geben musste. Vielleicht sogar andere kaninchenartige Geschöpfe. Eine Kontaktaufnahme war nur eine Frage der Zeit.
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Jakub Mateja