Nicht jedermanns Sache
Peter war auf dem Weg vom Büro nach Hause, als sein Handy klingelte. Es war Tina.
“Wir bekommen Besuch … Julia und Sascha. Es ist aber nicht genug Wurst da.” Sie schrie fast.
“Tina, mein Ohr …”
“Du musst kurz einkaufen, Peter”, unterbrach sie ihn und legte auf.
Peter hasste es, einkaufen zu gehen, Tina wusste das. Aber es war zwecklos, gerade jetzt mit ihr darüber zu streiten. Wahrscheinlich stand sie im Putzstress, wie immer, wenn sich Besuch kurzfristig angekündigt hatte. Also bog Peter an der nächsten Ampel links ab und tat, was Tina von ihm verlangte.
Peter stand am Ende der Wurstschlange und betrachtete die Einkäufe in seinem Wagen. Heute Morgen hatte er seinen Kaffee schwarz trinken müssen, gut, dass er jetzt an die Milch gedacht hat. Genau, wie an die runden Käsebällchen und an die Milchzwerge, die Tina so gerne aß. Dann sortierte er noch schnell die Milch in die linke Ecke des Einkaufswagens, dann die Zwerge und dann den Käse, als ihm jemand in die Hacken fuhr, weil er nicht schnell genug war, um ein kleines Stückchen vorzurücken. Verärgert drehte Peter sich um.
“Ist was?”, fragte die Täterin frech grinsend. Die junge Frau war nicht älter als er selbst und kaute auf einem Kaugummi herum. Petr erkannte sofort, dass es zwecklos war sie zu ermahnen, und verzichtete auf eine Entschuldigung. Nun konzentrierte er sich auf die Menschen vor ihm. Diese endloslange Schlange an der Wursttheke, es ist zum Verrücktwerden. Hatte Tina nicht gesagt kurz? Wenn das weiter so langsam vorwärts geht, verpasst er womöglich noch die 19 Uhr Nachrichten.
“Wird’s bald?! Soll die Alte da vorne sich endlich entscheiden, was sie nun will. Ich hab nicht ewig Zeit!” Die Frau hinter Peter wurde ungeduldig. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie sie hektisch ihren Kaugummi auf die Größe eines Tennisballs aufblies und ihn dann laut knallend platzen ließ. Immer und immer wieder.
“Rentner. Als ob sie Vormittag keine Zeit hätten”, sagte ein anderer aus der Schlange.
“Vormittag sitzen sie sich den Hintern beim Arzt platt”, mischte sich ein weiterer ein.
Inzwischen hatte die entscheidungsschwierige alte Dame es doch noch geschafft, ihren Einkauf zu tätigen. Nun schob sie den Wagen an Peter vorbei und sagte kopfschüttelnd: “Die jungen Leute sind ungeduldig heutzutage. Sie müssen die Langsamkeit lernen.”
“Die Langsamkeit?”, wunderte sich eine junge Frau und deutete mit dem Kopf auf die Menschenschlange vor ihr. “Da, sehen Sie, was Sie davon haben.”
Peter gab der Frau ins Geheim Recht, er kannte das. Sein Schreibtischkollege war auch nicht gerade schnell, und Petr hatte oft seine Arbeit mit erledigen müssen.
“Entschuldigung, stehen Sie bei Fleisch oder bei Wurst an?”, unterbrach eine schwangere Frau seinen Gedanken.
“Bei Wurst”, antwortete Peter höfflich und presste sein Bauch gegen den Einkaufswagen, damit die Frau an ihn vorbei konnte.
Es war schrecklich, die vielen Menschen mit ihren vollen Einkaufswagen, die sich rücksichtslos ihren Weg durch die engen Gänge bahnten. Die tobenden Kinder und deren Geschrei. Peter war das alles zu viel. Er schwitzte. Die Schlange vor ihm wurde nur langsam kürzer. Schneller, es muss schneller gehen.
“Ich habe auch nur zwei Hände und bin hier alleine. Zaubern kann ich nicht”, sagte die Verkäuferin, als ob sie Peters Gedanken lesen könnte.
“Sie können nichts dafür, junge Frau. Sie sind das Opfer der Regierung und wir hier die Leidtragenden. Es wird immer an den falschen Ecken gespart”, mischte sich jetzt der Mann mit der Glatze ein.
Die etwas andere Form der Unterhaltung nahm ihren Lauf. Es wurde über die wirtschaftliche Lage in unserem Land diskutiert und lamentiert, nur Peter hielt sich zurück, bis ihn jemand in die Seite schubste. “Was sagen Sie dazu, junger Mann? Die sollen erst einmal Deutsch lernen, bevor man sie auf uns loslässt, nicht wahr?”
Eine Frau im langen Gewand und dem Punkt auf der Stirn war gemeint. Sie war mit ihrem Einkauf gerade fertig. Nun drehte sie sich um, und sagte laut: “ARSCHLÖCHER!” Ja, sie sagte laut und deutlich Arschlöcher. Für einen Moment wurde es still, bis wieder jemand sagte: “Schimpfwörter, das lernen sie zuerst.”
Endlich war Peter an der Reihe. Die Entscheidung fiel ihm nicht leicht. Tina hatte zwar gesagt, er solle Wurst kaufen, aber nicht welche. Beim Anblick der vielen verschiedenen Sorten kam er ins Stottern. Hier sah die Wurst so anders aus, als zu Hause auf dem Teller. Tina hatte die Wurstscheiben immer zusammengerollt und fein dekoriert. Hier lag die Wurst nackt und aufgestapelt, und sprach ihn einfach nicht an. Doch irgendwas musste er nun nehmen. Er schwankte noch zwischen der Zungenwurst und dem Bierschinken, als von hinten jemand rief: “Was ist das für einer da vorne, der hier alles aufhält!”
Peter war am Ende. Einkaufen war einfach nicht sein Ding. Soll Tina sich in Zukunft damit rumschlagen. Eilig verließ er den Laden und erst im Auto fühlte er sich wieder sicher.
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Maryla