Au weia. Gestern war hier im Chat vielleicht was los. Man könnte glatt meinen, es ist Vollmond 🙂
Unter anderem entstand die Idee für eine gemeinsame Fortsetzungsgeschichte, in der unbedingt die Wörter Roulade, Rollade und Rollator vorkommen müssen.
Mit genau dieser geht es jetzt los. Jeder darf mitschreiben. Die Fortsetzung wird jeweils als Kommentar hier unter den Artikel gesetzt. Jede Fortsetzung darf höchstens 10 Zeilen lang sein. Ich füge die Fortsetzungen einmal am Tag an die Geschichte an. Alles klar? Dann geht’s los:
Mit geschickter Hand zog Karl die Krawatte zurecht. Ein prüfender Blick in den Spiegel bestätigte ihm, dass er in den kommenden Stunden zumindest optisch einen guten Eindruck machen würde. Noch einmal kämmte er sein Haar quer über die kahle Stelle auf seinem Hinterkopf. Noch ein wenig Taft, dann waren die Strähnen derart fixiert, dass sie auch bei Windstärke 6 nicht kraftlos neben dem Ohr herabsinken würden. Karl schlurfte in den Flur, zog Mantel, Schal und Hut an und begab sich dann, auf den Rollator gestützt, auf den Weg zum Fahrstuhl.
In Gedanken sah er sich mit federndem Schritt und lässigem Schwung in der Hüfte, den Weg bis zum Lift gehen. Seine eingeschränkte Mobilität machte ihm sehr zu schaffen. Zumal seine Eitelkeit es nicht erlaubte, sich mit dem Rolator zu zeigen. Mürrisch sah er sich in der Spiegelwand des Fahrstuhls an. Wenigstens konnte er so sehen, ob die Strähnen dekorativ gelegt waren.
Einen Moment zu lange hat er sich bewundert. Kurz bevor Karl an der Tür ist, schließt die Kabine sich wieder und bringt ihn in den 7. Stock. Bestimmt muss er dann auch wieder mit in die Tiefgarage fahren. Er mag es nämlich gar nicht, wenn Jemand seinetwegen warten muss.
Frau Schmitz. Schon wieder! Als sich die Fahrstuhltür öffnete, wünschte sich Karl nichts sehnlicher, als mit einem gewagten Sprung dem Fahrstuhl entfliehen und die Treppen hinablaufen zu können. Doch nun war er mit diesem Quasselweib im Lift gefangen und es gab kein Entrinnen. “Oooh, Herr Wedel, Sie haben sich aber fein gemacht! Man könnte ja meinen, sie hätten ein Rendevouz!” Sie unterbrach ihr Gesäusel für 5 Sekunden, wohl in der Erwartung einer Antwort. ‘Du kannst warten, bis Du schwarz wirst’, dachte Karl und blickte demonstrativ auf die Etagenanzeige, die nur schneckenlangsam Rettung verhieß. Noch 4 Stockwerke. “Mein Mann, Gott hab ihn selig, hat sich ja auch immer so fein gemacht, wenn er mit mir zum Tanzkaffee gegangen ist.” Noch 3. “Er hat immer gesagt ‘Hilde’, hat er gesagt, ‘wenn man ausgeht, muss man gut aussehen’.”
‘Seh ich aus, als wenn ich zum Tanzcafè gehe?’, denkt Karl. ‘Mit dem Rollator! Die Olle hat ne Meise’ Karl guckt grimmig. Frau Schmitz stört das nicht. “Und er hat auch immer gesagt: Hilde, hat er gesagt, man muss das Leben genießen so lange man noch kann. Und nun ist er tot. Schon zwei Jahre.” Erdgeschoss. Gott sei Dank! Karl schickt ein Stoßgebet zur hellerleuchteten Fahrstuhldecke. Aber das Elend nimmt kein Ende. Ausgerechnet die alte Schmitz erdreistet sich, Karl mit ihrem dicken Hintern die Lifttür aufzuhalten, damit er nicht wieder rauf und runter fahren muss. “Kommen Sie Herr Wedel. Ich bleib mal zwischen den Türen stehen, damit die Tür nicht so schnell wieder zugeht.” Es gibt nichts peinlicheres für einen alten Mann, als sich von seiner unbeliebten etwa gleichaltrigen Nachbarin helfen zu lassen. Noch dazu, wenn diese die Hausmafia in Person ist. Morgen spricht der ganze Block darüber, dass er nicht mal mehr allein aus dem Fahrstuhl kommt. ‘Der Tag ist hin. Eigentlich könnt ich nun auch gleich zu Hause bleiben.’ denkt sich Karl, während er ein “Danke Frau Schmitz.” aus sich herauspresst.
Die Worte pressen sich leichter aus seinem Mund als Karl sich an Frau Schmitz vorbei. Ihr volumunöser Körperbau mit den nicht minder ausladenden Brüsten ragen so weit in die Fahrstuhltür, dass Karl nicht ins Freie gelangt, ohne Körperkontakt mit Frau Schmitz aufzunehmen. Der verzweifelte Versuch, sich durch einen kräftigen Rempler mit dem Rollator etwas mehr Platz zu verschaffen, scheitert kläglich. Die Fahrstuhlmasche ist die einzige Gelegenheit, bei der Frau Schmitz körperliche Nähe zu einem Mann erfährt, und eine solche Chance lässt sie sich nicht entgehen. ‘Es kann nur noch besser werden’, denkt Karl, ’schlimmer wird’s nimmer’.
Als beide in der Tür stecken, scheint sich Frau Schmitz aufzublähen wie ein Luftballon, nichts geht mehr, kein vor, kein zurück. Karl merkt, dass Frau Schmitz die Intimität des Augenblicks genießt. Und er ist überrascht. Nachdem er sich sicher ist, dass niemand in der Nähe ist, fühlt sich der Leib, der sich da an ihn presst, ganz warm an und weich. Aber nur für einen Moment lässt Karl diese Schwäche zu, mit aller Gewalt presst er sich ins Freie. Als der Druck plötzlich nachlässt, schießt Karl mit dem Rollator mit Wucht über den Flur, auf die gegenüberliegende Wand zu. Dann, wie eine Billardkugel, prallt er ab und stürzt die Treppe hinab, ein rasendes Gepolter. Erst auf dem nächsten Flur endet der Unglücksflug. Als er die Augen aufschlägt und beginnt, seine Knochen zu zählen, beugt sich das besorgte Gesicht von Frau Schmitz über ihn. “Karl”, haben Sie sich etwas getan! Bitte, so sprechen Sie doch!
“Hilfe…, Hihilfeeee. Soo helfen Sie uns doch.” Panisch kreischt Frau Schmitz im Hausflur rum. “Pssstttt. Sie trommeln noch das ganze Haus zusammen!” zischt Karl. “Gott sei Dank. Sie leben.” Frau Schmitz ist sichtlich erleichtert. “Ja, ja. So schnell stirbts sich nicht.” brummelt Karl und versucht sich aufzusetzen. ‘Meine Güte, ist das peinlich.’ denkt er sich. ‘Da liege ich dieser Schreckschraube zu Füßen.’ Vergessen ist der kurze Moment des erotischen Knisterns. Jetzt ist praktisches Denken gefragt. Immerhin muss Karl irgendwie wieder in die Senkrechte kommen. Frau Schmitz, die ihm helfend unter die Arme greifen will, wehrt er ab und klapst ihr auf die Finger. “Setzen Sie sich doch bitte auf meinen Rollator. Dann kann ich mich gut aufstützen und komme alleine wieder hoch.” Karls Bitte klingt wie ein Befehl. Frau Schmitz gehorcht und Karl rappelt sich auf die Knie und dann ganz langsam auf die Füße. Ihm wird ein wenig schwummerig und er betastet seinen Hinterkopf. “Oh jeh, das wird ne mächtige Beule.” Frau Schmitz drückt besorgt an Karls Kopf herum.
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Bildquelle: Hulemule