Franziska fährt Rad

Als Franziska aus ihrem wohligen Schlummer erwachte, schauten sie vier große, dunkle Knopfaugen erwartungsfreudig an. Zis rieb sich gründlich die Augen und musste erst die Erinnerungsfäden sortieren, um sich darauf einen Reim machen zu können.

Ohja!
Kalt und frierend hatte sie in diesem dunklen Kellerloch doch tatsächlich neue Freunde gefunden, die sich ohne große Fragen zu stellen um einen Eindringling ihrer Unterwelt kümmerten.

Hans-Werner stupste mit seiner ausgesprochen attraktiven Nase ihren Schwimmreifen an und fragte „wozu trägst du den da?“

„Ich bin schon einmal zu oft in irgendwelchen Gewässern gelandet, als dass ich mich freiwillig ohne Schwimmreifen außer Himmels begebe.“

„Außer Himmels. Soso.“ ließ Hannelore etwas naserümpfig verlauten. „Du bist aber nicht vom Himmel gefallen, sondern durch ein Loch gekrabbelt und in unserer Wohnung gelandet. Also erzähl´ hier mal keinen Mist, Schätzchen.“

„Ja aber…“ wollte Franziska zu einem längeren Vortrag ausholen.

„Nix aber! Du willst uns hier für dumm verkaufen! Kein Mensch fällt mit einem Schwimmreifen einfach so vom Himmel, selbst wenn er noch so klein ist wie du!“

„Erstens bin ich kein Mensch und zweitens war es überhaupt nicht einfach bei starkem Seitenwind vom Himmel zu fallen….“ antwortete Zis trotzig „und drittens…fällt mir grad nix Vernünftiges ein.“

Die Ratten glucksten. Erst ganz leise, dann immer lauter. Und schließlich brüllten sie vor Lachen, schmissen sich auf den Rücken und hielten sich die Bäuche fest. Also so komisch fand Franziska sich nun auch wieder nicht. Gut, ein wenig ungewöhnlich gekleidet, grade so um den Bauch rum, aber doch durchaus ansehnlich mit ihren langen blonden Locken. Warum lachten die bloß so ohrerschütternd?

Keuchend erklärte Hans-Werner „ ach weißt du, wir haben hier unten echt schon so einiges erlebt! Tanzende Katzen, singende Hunde und es war sogar mal ein Papagei dabei, der bauchreden konnte. Also wird an deiner Version der übergewichtigen Himmelsbotin schon was dran sein. Iss jetzt erst mal was!“

Übergewichtig!
Er hatte tatsächlich übergewichtig gesagt!
Und ihr gleichzeitig etwas zu essen angeboten.

Mistkerl!

Aber der Hunger war doch stärker als Franziskas Empörung und so langte sie erst mal kräftig zu.
Es gab lange Fäden in roter Farbe und gelbe Kissen mit Löchern drin. Das schmeckte richtig gut! Ungefähr zwei Stunden später fühlte sie sich endlich einigermaßen gesättigt und rieb sich genüsslich den Bauch. „Eine Frau ohne Bauch ist wie ein Himmel ohne Sterne“ flüsterte sie. Das hatte sie mal bei einer ihrer Reisen in einer sehr schönen Küche am Kühlschrank hängen gesehen. Das hatte ihr wirklich gut gefallen. Und alles was Franziska gut gefiel, konnte sie sich auch gut merken.

„Nun sag´ schon, in welcher wichtigen Mission bist du unterwegs? Es ist Wochenende und die Schnarchnasen sind alle ausgeflogen, uns ist ein bisschen langweilig“ sagte der Rattendetektiv, der sich wohl in einem Moment völliger Selbstüberschätzung den Namen Matula gegeben hatte.

„Och, das ist alles gar nicht so einfach“ antwortete Franziska etwas verzagt „ich soll einen großen Schweiger zum Reden bringen, damit er sein Glück nicht verliert. Aber ich weiß nicht, wie er heißt, sondern nur, dass er in einem Hochhaus wohnt und keinen Balkon hat, auf dem ich hätte landen können. Außerdem hat dieses grottige Navigationssystem mal wieder versagt und ich bin in einem Kleingarten gelandet, in dem giftige Zwerge mir an die Wäsche wollten.“

„Hast du sie verprügelt oder wie konntest du den Wichteln entkommen?“

„Ich bin einfach los gerannt, aber die waren echt schnell und so habe ich mich mit einem Hechtsprung in die Kanalisation gerettet und jetzt bin ich hier bei euch.“

Miss Marple rieb sich ausdauernd die Nasenhaare und meinte „also die Hochhaussiedlung ist am Ende der Stadt, das ist echt weit, da müssen wir hin radeln. Ein paar Bekannte von uns hausen dort. Die sind ein bisschen runter gekommen, aber durchaus hilfsbereit.“

Radeln.
Franziska sollte radeln.
Das hatte sie noch nie in ihrem Leben gemacht und hatte auch nicht den blassesten Schimmer, wie das wohl gehen könnte mit ihren kurzen Beinen.

„Keine Sorge“ meinte Hans-Werner „ wir haben kürzlich ein E-Bike geklaut, das geht ganz einfach, wir brauchen nur gemütlich auf dem Lenker hocken und ab geht die Post!“

Gesagt, getan.
Hannelore links, Hans-Werner recht und Zis mitten drin. Yippieh, der Wind zauste sie ordentlich durch, aber es machte einen Heidenspaß durch die Straßen dieser Stadt zu rasen. Allerdings beschäftigte sie doch eine schwer wiegende Frage: wie sollte sie in einer Hochhaussiedlung bloß diesen einen Menschen finden, bei dem sie eine kurze Zeit zur Untermiete wohnen sollte?

Nun, sie würde eine Lösung finden.
Schon bald!

  • Fühle ich an Helme Heine erinnert. „Drei Freunde“, doch waren das ein Schwein, ein Hahn und ne Maus (Johnny Mauser – immerhin) die sind auch zusammen Fahrrad gefahren! Was habe ich einen Spass mit diesen Geschichten gehabt. Genauso vergnüglich sind deine Geschichten um Franziska!

  • „Eine Frau ohne Bauch ist wie ein Himmel ohne Sterne“
    Diese Erkenntnis von Franziska lasse ich rahmen! 😀

  • Anfangs ähnlich orientierungslos wie Franziska,habe ich mich schnell in den Text gefunden und bin nun wirklich gespannt, wie es weitergeht.