Die Geschichte zweier Spinner

„Das Chamäleon“ von Armin Sengbusch – eine Rezension

Das Chamäleon (Cover)


„Das Chamäleon“ ist die Geschichte zweier Profikiller. Und die Geschichte zweier Spinner. Zwar sind die beiden Protagonisten charakterlich ziemlich unterschiedlich, aber außer ihrem „Beruf“ eint sie noch etwas anderes: ein völlig verqueres Menschenbild.

Armin Sengbusch ist mit seinem Roman ein echtes Kunststück gelungen. Obwohl sich in dem Buch nicht ein einziger sympathischer Charakter findet, munter zwischen zwei Erzählperspektiven geswitcht wird und das Storyfinale im Grunde vorhersehbar ist, verfügt das Werk über Empathie, eine klare Linie und viel Spannung.

Der Grund dafür ist klar. Dass der Mix aus Kriminalroman, Milieuskizze und Psychostudie fasziniert, liegt an der Wortkunst des Autors. Der Schriftstehler, wie sich der Armin Sengbusch selbst nennt, weiß mit Sprache umzugehen. Dies hat der Hamburger bereits bei zahllosen Poetry Slams bewiesen.

Schriftstehler Armin Sengbusch


Den Werdegang zweier Auftragsmörder „von der Pike auf“ zu verfolgen, ist ein interessantes Sujet. Wie ticken solche Leute, die auf Zuruf mitleidlos Menschen eliminieren? Was treibt sie zu ihren Bluttaten? Geldgier, Lust am Töten …? Kann man Gleichmut trainieren und sich vorsätzlich abstumpfen? Wie hält man seine Emotionen unter Kontrolle?

„Das Chamäleon“ ist gleichsam ein Buch über Selbsteinschätzung und darüber, wie man von anderen wahrgenommen wird. In dieser Hinsicht enthält das Buch viele aufschlussreiche Gedankengänge und Reflexionen. Hier erweist sich der permanente Perspektivwechsel als ausgesprochen belebendes Element. Wird etwa in einer Passage eine Figur aus Eigensicht als höchst professionell geschildert, werden an ihr schon in der nächsten aus einer Fremdbetrachtung heraus Zweifel gestreut. Widersprüchlichkeiten werden zum Stilmittel.

Man mag sich als Leser an der Kälte stören, die dem Werk über weite Strecken innewohnt, aber andererseits ist die Aura des Unnahbaren, Kalkulierten, Höhnischen und Süffisanten den Protagonisten angemessen.

Wenn „Das Chamäleon“ eine Schwäche hat, dann liegt sie in der Figurenanlage. Beide Killer haben im Privaten eigentümlicherweise ausgesprochen vernünftige Ansichten und einnehmende Vorlieben (sei es nun in Bezug auf Ausländerhass, Spießbürgertum oder Rockmusik). Man bedauert fast, dass sie solche Arschlöcher sind.

Dass Berufsmörder Alexander, der seine sozialen Bindungen trotz seiner unmoralischen Tätigkeit nie aufgibt, irgendwann in Gewissensnot stürzt, ist eigentlich logisch. Dass er am Ende zur Weinerlichkeit neigt, beißt sich ein wenig mit der Gedankenlosigkeit und dem Egoismus, die er zu Beginn an den Tag legt. Dieser Entwicklungsprozess mutet ein wenig zu drehbuchartig an. Liebe erklärt nun mal doch nicht alles.
Auch Richard, ein Natural Born Killer und das titelgebende Chamäleon, ist nicht in allen Aspekten seines Wesens wirklichkeitsnah. Einerseits zeigt er als radikaler Misanthrop nicht sonderlich viel Interesse an anderen Menschen, andererseits tarnt er sich für seine Aufträge mit einer Art Mimikry, was doch eigentlich viel Hingabe für die Beobachtung der Umwelt und somit auch eine gewisse Hinneigung zum Volk voraussetzt. Aber diese Tarnfähigkeit wird ihm quasi wie ein Axiom zugestanden, es ist eben so. Das macht die Figur zwar nicht unbedingt unglaubwürdig, aber doch irgendwie un- und übernatürlich.

So recht stören tut die vertrackte Charakterzeichnung indes nicht. Killer haben halt alle einen Hau und sind daher von Natur aus unglaubwürdig. Armin Sengbuschs Crime-Groteske hat Hintersinn und Esprit, sodass sie eine erfrischende Lektüre abgibt.

Das Chamäleon: Roman
Armin Sengbusch (Autor)
Verlag: Kleine Schritte
ISBN: 978-3899681352; 220 Seiten; Krimi

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