fridas Filmtipp: „Saving Face“: Wie pakistanischen Frauen das zerstörte Gesicht wiedergegeben wird

In Pakistan werden jährlich rund 1.000 Säureattentate auf Frauen begangen, mit schrecklichen Folgen für Körper und Seele. Es sind Frauen allen Alters betroffen, auch Kinder. Es sind überwiegend Ehemänner oder Männer, die sich abgewiesen fühlen, die dieses Verbrechen begehen. Sie fühlen sich im Recht, die Frau, die ihrer Meinung nach ihnen gehört, zu maßregeln, zu bestrafen. Die „Schuld“ der betroffenen Frau besteht darin, sich zu Recht gegen einen gewalttätigen Ehemann oder einen aufdringlichen Bewerber zur Wehr gesetzt zu haben.

„Saving Face“, der Oscar® gekrönte Dokumentarfilm der pakistanischen Dokumentarfilmerin Sharmeen Obaid-Chinoy und dem amerikanischen Dokumentarfilmer Daniel Junge – eine Produktion des amerikanischen Kabelfernsehen Kanals HBO – schildert am Beispiel von zwei betroffenen Frauen, was getan wird, dass jene Frauen wenigstens einen Teil ihres Gesichts – und damit auch ihres Lebens – zurückbekommen. Und den Kampf darum, dass Männer nicht mehr wie bisher darauf vertrauen können, mit ihrer Tat ungeschoren davonzukommen.

Zakia, 39 Jahre alt, und Rukhsana, 25 Jahre alt, stehen stellvertretend für alle jene Frauen, die mit Säure attackiert wurden. Zakia wurde dabei die gesamte linke Gesichtshälfte inklusive des Auges weggeätzt. Sie leidet unter starken Schmerzen durch die Vernarbung. Sie kann das Haus nur noch versteckt unter einer Burka verlassen. Zakia wollte sich von ihrem drogensüchtigen Ehemann scheiden lassen. Dieser, völlig uneinsichtig, sitzt in polizeilichem Gewahrsam und erwartet sogar ein Verfahren, weil sie ihn angezeigt hat. Zakia wird dabei unterstützt von der engagierten Anwältin Sarkar Abbas, die sich dafür einsetzt, solche Täter einer Verurteilung zuzuführen.

Rukhsana dagegen lebt noch in der Familie ihres Mannes, obwohl sowohl Schwiegermutter als auch Schwägerin versucht haben, sie zusätzlich zur Säureattacke des Ehemannes zu verbrennen. Rukhsana, deren Haut zusätzlich zu den Verätzungen auch großflächig verbrannt ist, weiß nicht, wohin sie gehen soll. Ihre Tochter wird von der Schwieger-Familie unter Verschluss gehalten.

Dr. Mohammad Jawad, selbst Pakistani, ein in London lebender und arbeitender plastischer Chirurg, verbringt mehrere Monate im Jahr in Pakistan, um Frauen wie Zakia und Rukhsana zu helfen. Es macht ihn sehr menschlich, dass er die Frauen nicht nur als medizinische Herausforderung ansieht, sondern mit ihnen mitleidet. Er ist wütend, „eine Gesellschaft, in der solche Verbrechen üblich sind, hat definitiv ein Problem“, ist sein Credo. Er weiß auch um die Grenzen seiner ärztlichen Heilkunst, wie auch gerade Zakias Fall zeigt. Der Film begleitet ihn durch die Gespräche mit den beiden Frauen, Zakias erster Operation unter sehr bescheidenen medizinischen Bedingungen, zeigt seine Fassungslosigkeit, als er Rukhsanas Geschichte hört.

Dr. Jawad arbeitet eng mit der „Acid Survivors Foundation of Pakistan“ (ASF), einer Stiftung, zusammen, die nicht nur versucht, den Frauen einen geschützten Raum und vor allen Dingen auch seelische Hilfe anzubieten, sondern auch daran arbeitet, ein Gesetz einzubringen, das effizient solche Taten unter strenger Strafe stellt. Eine engagierte Mitstreiterin ist die parlamentarische Abgeordnete Marvi Memon, der es tatsächlich gelingen wird, zusammen mit anderen Abgeordneten ein solches Gesetz durchzubringen.

Ein Hotel in Islamabad, die Stiftung trifft sich, um wieder einmal Einzelheiten des besagten Gesetzentwurfes zu diskutieren. Neben Zakia und Rukhsana sind viele andere Leidensgenossinnen gekommen. Eine immer fassungsloser werdende Zuschauerin schaut in zerstörte Gesichter, auf zerstörte Leben, kann die seelischen Verwundungen und das körperliche Leiden nur eben erahnen. In diesem Moment wird ihr wieder einmal klar, wie glücklich sie sich schätzen kann, in einem Teil der Welt zu leben, in dem Frauen gesetzlich verbriefte und einklagbare Rechte besitzen.

„Saving Face“ hat auch die Ehemänner von Zakia und Rukhsana interviewt. Da sitzen sie nun vor der Kamera, der von Rukhsana ein Milchgesicht, das lügt, dass sich die Balken biegen. Und der von Zakia, der meint, dass die Frau ihm gehört und er mit ihr tun und lassen kann, was er will, uneinsichtig, noch stolz auf seine unsägliche Tat, unterstützt von seinem Vater, der behauptet, Zakia sei geistig krank.

Dr. Jawad kann Zakias zerstörte Gesichtshälfte nur teilweise wieder rekonstruieren. Aber er versorgt sie mit einer raffinierten Prothese, die das fehlende Auge und einen Teil der Vernarbung verdeckt, so dass sie wieder ohne Burka unter die Menschen gehen kann. Ihr Ehemann bekommt unter dem neuen Gesetz gleich zweimal lebenslänglich, ein Präzedenzfall, von dem hoffentlich das richtige Signal ausgeht.

Rukhsana dagegen kann Dr. Jawad erst einmal nicht helfen, denn sie ist wieder schwanger, was er mit Fassungslosigkeit zur Kenntnis nimmt. Am Ende des Films ist sie Mutter eines Jungen geworden. Sie spricht darüber, wie glücklich sie ist, einen Jungen geboren zu haben, denn Mädchen haben es zu schwer, da sie in der pakistanischen Gesellschaft keinen Stellenwert haben. Anzunehmen ist, dass ihr die Geburt des Jungen ein Überleben in der Schwieger-Familie sichert.

„Saving Face“ enthält sich klug eines jeden Off-Kommentars. Die eindrucksvollen Bilder aber von den Frauen, die versuchen, unter schwierigsten Bedingungen ihre Menschenwürde zu bewahren, sprechen für sich und wirken noch lange nach.

„Saving Face“ wurde vor einigen Tagen von WDR 3 ausgestrahlt und ist derzeit noch in der ARD Mediathek zu sehen. Es ist sicher davon auszugehen, dass dieser Film noch in weiteren 3. Programmen gezeigt werden wird.

„Saving Face“, USA 2012, Regie Daniel Junge, Sharmeen Obaid-Chinoy,

www.savingfacefilm.com

© frida 2012

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