Auf Tour durch die Frankfurter Buchmesse 2012

Und wie immer gab es einiges zu entdecken.

Nun ist sie vorbei, die Frankfurter Buchmesse, die größte Buchmesse der Welt, aber sie schloss ihre Pforten nur für das Jahr 2012.

Auch wir waren wieder dabei, mit der jährlichen Fahrt, veranstaltet durch eine der größten und zumindest traditionsreichsten Düsseldorfer Buchhandlungen. Wir hatten uns dieses Mal im Vorfeld aus der Vielzahl der Veranstaltungen einige als Anregungen für den Tag herausgesucht. In den Jahren zuvor hatten wir uns meistens treiben lassen, sind oft an Ständen hängen geblieben und in Büchern versunken.

Aber zunächst ließ uns unser Busfahrer zeitlich hängen, weil er sich überhaupt nicht vorbereitet hatte und mindestens eine dreiviertel Stunde damit verbrachte, den Parkplatz für die Busse zu suchen. Christian Berkel, der den neuen Roman von J.K. Rowling „Ein plötzlicher Todesfall” als Hörbuch eingesprochen hat und für 12.00 h am Stand des Hörbuchverlages zur Lesung angekündigt war, war jetzt nicht mehr zu schaffen.

Also direkt ins Forum, das sich traditionell die ARD auf der unteren Ebene und das Gastland auf der oberen Ebene teilen. Neuseeland hatte in diesem Jahr die Ehre, als Gastland eingeladen zu sein. War das auch ein Grund, dass es in diesem Jahr mir irgendwie noch sehr viel voller als z.B. im letzten Jahr erschien?

Auch die Comic-Fans, die jedes Jahr mit ihren fantasiereichen Kostümen ihrer Lieblingsfiguren aus der Welt der Comics und Mangas viel Farbe und Exotik in die Buchmesse bringen, schienen mir überreichlich vertreten. Die Frankfurter Buchmesse ist ja zugleich der größte Ausstellungsort für Comics weltweit und es findet sogar ein sog. „Cosplay” („Costumeplay”)-Wettbewerb statt. Am Sonntag werden dann die besten Kostüme prämiert. Die kostümierten Fans sind ein eigenes, aber friedliches Völkchen, die sich auch nur zu gern fotografieren lassen.

Zurück zum diesjährigen Gastland. Vor dem Pavillon erwartet uns eine Überraschung, nämlich eine lange Warteschlange. Neuseeland präsentiert sich in einer rund 30minütigen Video-Show und da haben nur eine begrenzte Anzahl von Besuchern Platz. Ok, wir stellen uns trotzdem an, immerhin sind zwei von uns schon in Neuseeland gewesen und das andere Ende der Welt hat ja neben der überbordenden Natur auch kulturell einiges zu bieten. Viele der Wartenden sehen auch so aus, als wären sie schon dort gewesen oder wollten ziemlich bald dorthin.

Nach rund 15 Minuten sind wir dann auch schon drin: Ein schwach beleuchteter Raum, durch große Wasserflächen unterteilt, vier große Leinwände, ein heller Mond über der Szenerie. Die Video-Show, die von einem live einsprechendem Maori-Erzähler komplettiert wird, erzählt von den Gründungsmythen der Maori, schlägt Bögen zur gesprochenen und geschriebenen Literatur, zeigt Zeitgenössisches und in kurzen Ausschnitten die Verbundenheit von Literatur und Verfilmungen (die auch hierzulande bekannt sind: „Whale Rider” (nach einem Roman von Witi Ihimaera), „Ein Engel an meiner Tafel” („An Angel at my Table”- nach der Autobiografie von Janet Frame), „Die letzte Kriegerin” („Once were warriors”, einem Roman von Alan Duff).

Was leider ein wenig zu kurz kommt, ist die Visualisierung der Natur, ohne die Neuseeland nach wie vor sicherlich nicht so eine große Anziehungskraft hätte. Ich vermute, dass sich Neuseeland mit dieser Show ein modernes Image geben wollte. Wogegen nichts zu sagen ist, aber die geglückte Darstellung von Verbindung von Natur und Literatur hatte im letzten Jahr das Gastland Island nahezu perfekt vorgemacht.

In einem abgetrennten Bereich des Pavillons präsentiert sich die zeitgenössische neuseeländische Literaturszene. Nalini Singh, eine Fantasy-Autorin, sitzt auf dem Sofa. Offensichtlich hat sie eine breite Fangemeinde. Wie so oft bei Fantasy sehe ich überwiegend Frauen. Da ich zwar auch gerne Vampir-Geschichten lese (aber nicht die weich gespülte Sorte), aber Nalini Singh nicht kenne, gehen wir weiter und verlassen den Pavillon.

Jetzt ist es leider auch zu spät für unseren nächsten gedachten Programmpunkt, nämlich zum Screening von „Rotkäppchen” zu gehen. Die ARD setzt zu Weihnachten ihre Märchen-Reihe fort und zeigt im ARD-Kino schon mal Previews. Aber das ist jetzt nicht ganz so tragisch, denn im Fernsehen kommt der Film auf jeden Fall.

Weiter durchs Gedränge in die Halle 3. In den Hallen 3 + 4 präsentieren sich alle großen deutschen Verlage. Entsprechend voll ist es auch. Eigentlich wollen wir nach oben zu den Reise-Verlagen, bleiben aber beim Stand von Piper hängen. Ein großes Plakat kündigt „The John Lennon Letters”, herausgegeben von Hunter Davies, dem einzig autorisierten Beatles-Biografen, an.

Das passt ja zum diesjährigen 50jähren Jubiläum der „Fab Four”. Nur, wo versteckt sich das Buch hier am Stand? Ich will schon fast aufgegeben, da endlich: Auf der anderen Seite des Ganges liegt ein Ansichtsexemplar. In einer Vitrine daneben ein nummeriertes Exemplar im aufwendigen Schuber. Das kann man gewinnen, wenn man seine Visitenkarte in die Box darunter wirft. Schnell noch ein etwas zerknülltes Exemplar dazu gestopft, vielleicht habe ich Glück.

„The John Lennon Letters” ist ein aufwendig und sehr schön gestaltetes Buch, mit nicht nur vielen Texten im Faksimilie, sondern auch auch Fotos, die so noch nicht zu sehen waren. Ein „Muss” für jeden Fan und auf jeden Fall ein schönes Geburtstagsgeschenk – zum Verschenken oder Schenken lassen.

Weiter durchs Gedränge, für Menschen mit Platzangst nicht zu empfehlen. dtv wirbt mit Jussi Adler Olsen „heute am Stand” (nein danke, ein Krimi von Olsen hat gereicht), bei Ullstein ist Klaus Hoffmann angekündigt, mit seiner Autobiografie „Als wenn es gar nichts währ”. Das Buch liegt aus, allein Klaus Hoffmann ist noch nicht da. Stattdessen lässt sich noch Daniel Brühl mit seinen – weiblichen – Fans ablichten.

Leider können wir nicht auf Klaus Hoffmann warten. Weiter geht es durch die immer noch wachsende Menge, in der wir den Aufgang zur Ebene 3.1 einfach nicht finden wollen. Zurück zum Haupteingang, über den Außenaufgang nach oben. Auf der Außenplattform gibt es warme Getränke und kleines Essen. Ein Cappuccino tut jetzt gut, obwohl die Preise wie immer deftig sind.

Ganz am Ende der Ebene 3.1 sind die Reise-Verlage mit der Travel Gallery versammelt. Ein Stückchen davor stellt der Kunth-Verlag wieder seine wunderschönen Bildbände mit Ländern rund um den Globus aus. Ein neuer Indien-Band liegt aus. Durchgeblättert, einiges wiedererkannt und am Ende möchte ich am liebsten sofort losfahren.

In der Travel Gallery findet eine Dauerwerbeveranstaltung von Hapag Lloyd Kreuzfahrten statt. Ach nein, das ist so ganz und gar nicht unsere Welt. Wir schauen uns noch ein wenig bei den Reiseführern um, dann heißt es, sich aufmachen nach Halle 5. Dort wollen wir endlich mal eine ausgewählte Veranstaltung in Gänze erleben.

Die Hallen 5, 6 und 8 sind den internationalen Verlagen vorbehalten. Dort geht es wesentlich ruhiger zu. In Halle 5 ist der „Weltempfang – Zentrum für Politik, Literatur und Übersetzung” zuhause. Der „Weltempfang” wird gesponsert vom Auswärtigen Amt und bietet auf zwei Flächen – Bühne und Salon – ein umfangreiches Programm zu Literaturen, die nicht in der westlichen Welt zuhause sind und entsprechend weniger wahrgenommen werden.

Programmschwerpunkt ist in diesem Jahr die Subsahara, aber wir als Indien-Fans haben uns die Veranstaltung „Tamil- Die unbekannte indische Literatur” herausgesucht. Erstmals wurde mit „Die Geschichte eines Dorfes am Meer” von Thoppil Mohammed Meeran ein Tamil-Roman direkt ins Deutsche übersetzt. Eine bemerkenswerte Besonderheit, denn wenn indische Literatur den Weg in den deutschen Buchhandel findet, dann in der Regel aus dem Englischen übersetzt.

Der Übersetzer, Torsten Tschacher, im Hauptberuf Dozent für tamilische Sprache und Kultur an der Uni Göttingen, erzählt von den Besonderheiten und Schwierigkeiten der Übersetzung. Dass Tamil, aus der Sprachfamilie der drawidischen Sprachen stammend, sich so grundlegend in seiner Struktur vom Deutschen unterscheidet und dass die im Roman vorherrschende Mischung aus umgangssprachlichem Tamil und hochsprachlichem Tamil eine besondere Herausforderung war.

Tschacher erzählt über den Autor, einem tamilischen Moslem, der sein vorwiegend muslimisches Heimatdorf als Vorbild für diesen Roman nahm. Und er spricht natürlich über die inhaltlichen Besonderheiten des Romans.

Komplettiert wird die Veranstaltung durch zwei Leseproben. Dabei fällt mir wieder auf, dass indische Autoren – unabhängig von der Verschiedenheit der Kulturen und Sprachen – ausgesprochen visuell erzählen. Wie ein Film rollt die Handlung vor meinen Augen ab – man muss sich hier nicht über die Verbindung von Film und Literatur wundern.

Eine kurzweilige Stunde geht mit Fragen aus dem Publikum zuende. Die Buchmesse ist zwar keine Verkaufsmesse, aber Bücher, die live vorgestellt werden, dürfen verkauft werden. Der kleine Draupadi-Verlag als deutscher Verleger freut sich über jedes verkauftes Exemplar. Natürlich kaufen wir auch, allein schon, um solche Projekte zu unterstützen. Und für das nächste Jahr nehmen wir uns vor, mehr Augenmerk auf die Veranstaltungen des „Weltempfang” zu richten. Der Blick über unsere Tellerränder hinaus hat noch niemandem geschadet.

Eine Pause für uns noch, aber um 16.30 h hat sich Martina Gedeck bei der ARD angekündigt. Sie stellt dort zusammen mit Regisseur Julian Pölsler ihren neuesten Film „Die Wand” nach dem Roman von Marlen Haushofer vor. Es ist brechend voll, aber wir können das Gespräch auf der Treppe mitverfolgen. Martina Gedeck – eine der profiliertesten deutschen Schauspielerinnen – ist völlig unprätentiös und unkompliziert und sieht hervorragend aus. Es ist eine kurzweilige halbe Stunde.

Der Regisseur erzählt von seinen Schwierigkeiten, den Film zu finanzieren. Zeitweilig ist er Taxi gefahren, um weiter drehen zu können. Niemand wollte an das Thema ran, obwohl Haushofers Roman mittlerweile als Klassiker gilt.

Frau Gedeck signiert im Anschluss an das Gespräch. Natürlich sind auch wieder die üblichen Autogramm-Jäger dabei. Wir schieben uns kontinuierlich nach vorne, ich lege mein frisch erworbenes Buch vor. Auch von ganz nahem wirkt Martina Gedeck völlig natürlich. Sie freut sich sichtlich, als ich ihr nochmal sage, dass ich sie für eine der derzeit besten deutschen Schauspielerinnen halte. Zustimmendes Gemurmel von den Umstehenden.

Und damit wird es Zeit, sich langsam zum Bus aufzumachen. Noch ein schnelles Bier zum Abspannen, dann fertig machen zur Abfahrt. Diesmal findet der Busfahrer direkt den Weg zur Autobahn. Nach gut zweieinhalb Stunden sind wir wieder in Düsseldorf – und für uns steht schon längst fest : Im nächsten Jahr sind wir wieder dabei – bei der Frankfurter Buchmesse 2013.

© frida 2012

Fotos: frida

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