fridas Buchtipp: Val McDermids „Vergeltung”
Jacko Vance ist also zurück, der psychopathische Mädchenmörder und gleichzeitig gefeierter Fernsehstar aus „Schlussblende”. Ein ganz besonderer Typ aus der Psychopathen-Hölle, bei dem es nicht wundert, dass Val McDermid ihn nochmal hat aufleben lassen.
Entkommen aus dem Gefängnis, begibt er sich auf einen perfiden Rachefeldzug, auf dem er „Vergeltung” an all jenen üben will, die ihm – nach seiner verqueren Lesart – sein Recht auf das ihm zustehende „standesgemäße” Leben verwehrt haben.
Carol Jordan und Tony Hill, seine Ex-Frau und deren Lebensgefährtin, die seinerzeit beteiligten Polizeischüler stehen im Visier und geraten in höchste Gefahr. Aber Vance übt seine Rache nicht direkt aus, sondern versucht, alle je Personen dort zu treffen, wo sie am verwundbarsten sind.
Leider ist der deutsche Klappentext so „intelligent”, gleich die beiden ersten Opfer – nämlich Carols Bruder Michael und dessen Lebensgefährtin – öffentlich zu machen, bevor der Leser sich ein Bild machen kann, was Vance plant und tatsächlich auch durchführt.
Diese Bluttat löst bei Carol nicht nur ein anhaltendes Trauma aus, sondern führt auch noch zum tiefen Zerwürfnis mit Tony Hill, dem sie vorwirft, nicht sorgfältig genug gearbeitet zu haben.
Und so zieht Vance wie ein scheinbar unaufhaltsamer böser schwarzer Racheteufel von böser Tat zu böser Tat, Carol, Tony und der ganze Polizeiapparat immer ein Schritt zu spät ihm auf den Fersen. Wenn man denkt, jetzt kann es nicht mehr noch schlimmer kommen, setzt McDermid noch locker oben etwas drauf.
Wie in allen Romanen aus der Tony Hill/Carol Jordan-Reihe gibt es komplementär eine Parallel-Handlung. Das sich auflösende Sondereinsatz-Team von Carol Jordan findet sich zu einem letzten Fall zusammen: Ein Prostituierten-Mörder macht die Straßen von Bradfield unsicher. Und Tony Hill wird von Paula, seiner treuesten Freundin im Team, unter der Hand auf diesen Fall angesetzt.
Es bleibt spannend bis zum verstörenden Schluss. Der Blutzoll ist enorm hoch, von lieb gewordenen Figuren der Reihe müssen wir uns wohl endgültig verabschieden. Ebenso offen bleibt, wie es mit Carol und Tony weitergeht und ob es überhaupt weitergeht. Es wäre zutiefst schade, wenn Val McDermid die Lust an diesen beiden verloren hätte. Aber dieses Ende kann kein wirkliches Ende sein. Das wünsche ich mir als Fan der beiden ganz dringend.
Ein Tipp: Zum Einstimmen, wer Jacko Vance ist und was er getan hat, sollte man vor „Vergeltung” „Schlussblende” gelesen haben. Das erleichtert den Einstieg in diese schreckliche Figur.
Und: Val McDermid hat neulich in einem Interview verlauten lassen, dass sie sich bei der Gestaltung von Jacko Vance von dem über Jahre hinweg überaus populären BBC-Moderator Jimmy Savile hat inspirieren lassen. Savile ist kürzlich posthum als Kinderschänder entlarvt worden, über Jahre von Teilen der BBC gedeckt, einer, der sich hinter der Maske des Wohltäters umso leichter an Kinder heranmachen konnte. McDermid hatte Savile als junge Reporterin interviewt und schon damals gespürt, dass etwas Dunkleres hinter der Oberfläche lauerte. Und so holt die Wirklichkeit manchmal die Fiktion ein.
© frida 2012
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