Wir schenken uns Nichts
Beide Parteien nicken sich zu, als wäre ein Vertrag dadurch perfekt gemacht wie ein Handschlag beim Pferdekauf. Vom Gelübde bis zum Bruch desselben vergehen oft nur Stunden. Wer dieser Tage ohne Einkaufstüte in der Fußgängerzone angetroffen wird, gilt als Sonderling, Unentschlossener, Verwirrter, oder wenn alles nicht zutrifft, als verarmt an Geist und Giro. Um den Spekulationen entgegen zu wirken, verlasse ich das Haus grundsätzlich in den Adventswochen nur mit praller Plastiktüte. In ihr geballt andere leere Plastiktüten.
Ich beginne mit der Suche nach Nichts. Es soll nicht teuer sein, nicht groß oder klein, sollte in das Versteck passen, das ich vorher ausgewählt habe, und nicht der Putzwut des Überraschungsopfers ausgesetzt ist. Es soll ja keine Ahnung haben, dass ich doch….. Mit Grausen denke ich ein Jahr zurück. Der Weihnachtsbaum war durchaus geschmackvoll geschmückt, die Kinder groß und aus dem Haus, unter ihm lagen außer 5 Nadeln eine rote Weihnachtsdecke, und die Scherben einer Christbaumkugel, die es auch nicht mehr aushielt. Sonst eben Nichts. Nach Momenten des Schweigens, begleitet durch Anneliese Rothenbergers alljährliches Wimmern, verschwand sie, und kam kurz darauf mit eben Nichts wieder. Dieses Jahr würde es mir nicht passieren!
Ich dränge mich in die Lieblingsdrogerie meiner Nase und versuche bis Weihnachten in die Nähe des Verkaufstischs zu kommen. Vor mir jene Volksseele, die glaubt sich in den Windungen des Riechorgans seines Lieblingsmenschen aus zu kennen. Produkte schwitzender Tennisprofis, oder die ehemaliger Weltstars kommen ebenso infrage wie „Kanal Nummer 5“, dem französischen Hit aller Zeiten. Nur 4711, das aus einer Mischung besteht, die nach Weniger ist Mehr riecht, jenes Kölnische Wasser, bleibt aus der engeren Wahl ausgeschlossen.
Kurz bevor ich den Tresen erreiche die Durchsage: „Meine Damen und Herren, auch unsere Verkäufer müssen einmal Feierabend haben, bitte haben Sie Verständnis und kommen Sie morgen wieder!“
Manchmal rettet sogar das ewig diskutierte deutsche Ladenschlussgesetz einen vor übereilten Handlungen. Ich kehre heim mit gefüllten Taschen voller Nichts, und erwarte nicht mehr oder weniger, wenn sich die Stimme von Anneliese wieder erhebt und von einem entsprungenen Ross kündigt, das mit einer Wurzel zart anscheinend immer zur Weihnachtszeit das Weite sucht. Ganz ähnlich wie auch ich.
Astrid Barin
21. Dez 2011
So ist es, alle Jahre wieder….köstlich!
frida
21. Dez 2011
Wir schenken uns auch nichts – wirklich. Aber so ist es auch.
Angi
22. Dez 2011
Diese Geschichte ist einfach klasse und -hey- nur zu wahr! Willkommen im Club der Weihnachtshasser!
Maultrommler
22. Dez 2011
Ich lache noch immer…