fridas Filmtipp: „The Best Exotic Marigold Hotel“

ist eine wunderschöne Tragikomödie, nicht nur für die älteren Semester.

Acht Engländer, darunter ein Ehepaar, fliegen oder sollen wir besser sagen: fliehen nach Jaipur. In Jaipur, die „Pink City“ genannte Haupt-und Millionenstadt des indischen Bundesstaates Rajasthan, verspricht das „Best Exotic Marigold Hotel“ gerade den Älteren unter den westlichen Reisenden einen First Class-Aufenthalt für wenig Geld.

Das fortgeschrittene Alter verbindet sie alle. Sie sind bereits allesamt deutlich jenseits der 60: Evelyn (Judi Dench), gerade Witwe und fast mittellos geworden, will einen Neuanfang in Indien wagen, Graham (Tom Wilkinson), der frisch pensionierte Lordrichter, möchte in Jaipur eine alte Schuld abtragen.
Das Ehepaar Douglas (Bill Nighy) und Jean (Penelope Wilton), er ebenfalls Pensionär, der seine Rente im IT Start-up der Tochter versenkt hat, sie chronisch unzufrieden, möchte seinen Lebensstandard allerdings mit weniger Geld wahren.
Madge (Celia Imrie), bereits mehrfach verheiratet und ebenso geschieden, auf der Suche nach einem neuen Ehemann, Norman (Ronald Pickup), der umgekehrt auf der Suche nach einer Frau ist.
Und Muriel (Maggie Smith), die alles hasst, was nicht die gleiche Hautfarbe hat wie sie und die sich dennoch in Indien eine Hüfte einsetzen lassen will.

Sie alle treffen sich bereits im Flieger und landen gemeinsam im „Best Exotic Marigold Hotel“(„now with guests“), das in Wahrheit eine bessere Bruchbude ist, geführt von Sonny („Slumdog Millionär“ Dev Patel), einem sehr netten, aber wenig geschäftstüchtigen „Schluffi“. Sonny hat selbst jede Menge Probleme: Kein Geld, eine Mutter, die seine Freundin Su… nicht akzeptiert, die wiederum von ihm eine Entscheidung fordert.

Der Film erzählt seine Geschichte in vielen kleinen Episoden. Graham sucht (und findet) seinen lange verschollenen indischen Geliebten. Evelyn findet Arbeit als „kulturelle Trainerin“ in dem Callcenter, in dem auch S… arbeitet. Douglas stürzt sich mit Begeisterung auf die indische Kultur, während sich im Gegensatz dazu Jean völlig von der Außenwelt abkapselt. Norman findet sein Glück mit der gleichaltrigen und ebenso einsamen Carol, die er im edlen Country Club kennenlernt, und Madge – sie findet ebendort vielleicht ihr Glück ein wenig später.

Und Muriel? Ausgerechnet Muriel, der – scheinbar – unverbesserlichen Rassistin, die mit „stiff upper lip“ ihre trockenen englischen Kekse kaut, wird von einer Dalit-Frau (Dalits sind die „Unberührbaren“) eine Lehre erteilt, die nachhaltige Wirkung zeigt.

Und so entfaltet sich ein kleines Universum von menschlichen Befindlichkeiten, Sehnsüchten, Lernprozessen von Menschen, die sich bereits im letzten Drittel ihrer Lebenszeit befinden und jede/r sein oder ihr ganz eigenes Päckchen an Lebenserfahrung mit sich herum trägt.

Warmherzig und witzig, nachdenklich, komisch und auch traurig zugleich, nimmt der Film junge und alte Zuschauer mit in das bröckelnde Gemäuer des „Best Exotic Marigold Hotel“, in die flirrende Hitze Jaipurs, das wie alle indischen Großstädte kurz vor dem Infarkt zu stehen scheint. Regisseur John Madden („Shakespeare in Love“) nutzt Indien aber nicht nur als exotische Kulisse. Madden hat sich ganz im Gegenteil offensichtlich im Vorfeld mit den Besonderheiten indischer Kultur beschäftigt. So kommen denn auch spezifisch indische Befindlichkeiten nicht zu kurz, ganz ohne einen westlich-überheblichen Blick herab, sondern vielmehr auf Augenhöhe zwischen britischer Steifheit gepaart mit Understatement und indischer Chaoslehre. Das führt zu vielen vergnüglichen Situationen, in denen beide Seiten ihr Fett wegbekommen.

Getragen wird der Film von einem glänzend aufgelegten Ensemble angelsächsischer Charakterdarsteller. Judi Dench, die Grand Old Dame des britischen Kinos, als Evelyn fast erstickt in ihrer Trauer und doch sich nicht selbst aufgebend. Tom Wilkinson als stiller Graham, der schwer an einer Jahrzehnte alten Last trägt, die doch noch von ihm genommen wird. Maggie Smith als Muriel, anfänglich ein rassistisches, pardon, Miststück, die sich dann doch wandlungs-und lernfähig erweist.

Bill Nighy als melancholischer Douglas, in einer Ehe erstickt, die schon seit Jahren nicht mehr funktioniert, der nahezu euphorisch in die indische Kultur eintaucht und am Ende fast doch noch die falsche Entscheidung trifft, während Penelope Wilton als seine Ehefrau Jean die undankbarste Rolle von allen hat, weil sie unbelehrbar bis zum Schluss der negativste Charakter sein muss.

Und last, but not least, Celia Imrie als Madge und Ronald Pickup als Norman, für die das Leben im Alter ganz selbstverständlich auch Liebe und Sex beinhaltet.

Auch die indischen Schauspieler/-innen, die bis auf den Briten Dev Patel allesamt aus Bollywood kommen, machen ihre Sache sehr gut und runden den Film wie ein indisches Masala-Gericht würzig ab.

„The Best Exotic Marigold Hotel“ ist beste Unterhaltung in einer Tradition, wie sie fast nur die Briten zustande bekommen. Man geht höchst beschwingt und gut gelaunt aus dem Kino – und das habe ich in den letzten Jahren leider nicht allzu oft getan – nicht, weil die Filme schlecht waren, sondern weil das Sujet der gehobenen und intelligenten Komödie leider immer weniger wird.

„The Best Exotic Marigold Hotel“, GB 2011, Regie: John Madden, ca. 124 min

© frida 2012

  • Vielen Dank für die ausführliche Rezension, der Film steht nämlich auf meiner „Unbedingt gucken“-Liste

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