Lebenshighlights 1
Nacherzählte Berichte
„Ich lebte ein paar Jahre in Australien. Mit der Zeit wurde mir bewusst, dass dieser Kontinent viel mehr als Wüste im Innern und traumhafte Wasserreservate hatte. Ich freundete mich sogar mit den Ureinwohnern an und kam so an Orte, die kein normaler Tourist zu sehen bekommt. Als ein paar Deutsche mich ansprachen, ob ich ihnen das Leben in den Outbacks zeigen könne, sagte ich trotz großer Bedenken zu. Mein australischer Bekannter gab mir den Satz mit: „Nach drei Tagen kommen sie geschreddert zurück.“ Wir beschlossen zu zelten.
Ich legte viel Wert auf eine Sicherheitseinweisung. Benannte bestimmte Dinge, die man nicht macht und andere, die man vorsichtshalber macht. Bis zum Schluss hielten sich alle daran. Am letzten Abend gingen wir in unsere Zelte, nachdem ein ausgiebiges Lagerfeuer die Erlebnisse der Tage wie Funken zum Himmel trieb. Es gab einen in der Gruppe, der mehr zuhörte als sprach. Er ging zu seinem Zelt und kroch auf sein Lager. Eine Petromax, (Petroleumleuchte mit Glühstrumpf), gab genug Licht, so dass er noch etwas in seinem Buch lesen konnte.
Ausgerechnet er war es, der Schweiger, der plötzlich aus seinem Zelt stürmte und schrie, bis er erst ein paar hundert Meter weiter stehen blieb. Es war der gellende Schrei eines Verrückten. Als wir alle alarmiert um ihn standen, zeigte er aufs Zelt und schwieg, beantwortete keine Frage. Wir näherten uns seinem Zelt, das durch die Petromax von Innen hell erleuchtet war, und sahen die Zeltstangen, die wie ein Gerippe das Ganze hielt. An der Decke zeichnete sich dazu etwas ab. Es hatte die Gestalt einer Riesenspinne. Ihre Beine bedeckten den großen Teil des Zeltdaches, ihr Körper warf einen beachtlichen Schatten.
Ich ging hinein und benutzte meine Jacke, um sie aus dem Zelt zu holen. Während die Mutigen von oben aufs Zelt schlugen, breitete ich die Jacke aus, um sie zu fangen. Als ich glaubte sie zu haben, ging ich mit der Jacke nach draußen und schüttelte sie aus.
Sie war verschwunden.
Wir vermuteten, dass sie bereits im Dunkel getürmt war, stellten aber fest, dass der eine Ärmel einen Wulst aufwies. Sie war im Ärmel. Nachdem wir sie endlich heraus bugsiert hatten, stellte sie sich tatsächlich auf ihre Hinterbeine in Angriffsposition und attackierte uns. Erst als wir sie mit Sand bewarfen, verschwand sie im Dunkel der Nacht.
Als wir den Schweiger am nächsten Morgen auf das Geschehen ansprachen sagte er:
„Ich las die ersten Zeilen des Buches und sah eher zufällig nach oben. Ich konnte es nicht glauben, dass es so etwas gab, das sich über mir festhielt, und das nur wenige Zentimeter. Ich wäre fast gestorben vor Angst.“
Schlussbemerkung:
Es war der „graue Wolf“. Eine Spinnenart, die unter anderem von Fröschen lebt und deutschen Urlaubern den Urlaub versaut.
Maultrommler
11. Jul 2012
Kein Highlight für Touristgermanen, aber für den Leser und ein bisserl Schadenfreude.
Songline
12. Jul 2012
Wenn einer eine Reise tut …
So manche Erlebnisse würde man sich dabei lieber ersparen, aber genau die liefern den Stoff für Geschichten.
Diese hier habe ich gerne gelesen.