Sahara-Lilie
Sie malte. Schon wieder. Diesmal war es eine Blume.
„Sie sieht sehr zart aus“, sagte ich und betrachtete die durchschimmernden rosa Blütenblätter. Sie sahen aus, als würden sie zerbrechen, in winzige Glasscherben zerspringen, wenn man sie berührte.
„Das sind sie auch“, erklärte sie. „Zart und doch unzerstörbar. Es ist eine Blume, die nur in der Sahara wächst, in Marokko zum Beispiel. Warst du schon einmal in Marokko? Ich glaube, ich würde das Land gerne einmal besuchen.“ Sie legte den Kopf schief und fügte eine filigrane Ader hinzu. Gedankenverloren, wie immer. Wenn sie malte, schien sie nicht hier zu sein, sondern in der Welt, die sie schuf. Selbst, wenn es ein Abbild der Wirklichkeit sein sollte.
„Wie steht es mit… diesem Typ… – David?“, fragte ich, unsicher, ob sie die Frage nach dem Leben im Diesseits überhaupt verstehen würde. Doch zu meiner Überraschung lächelte sie. Auf ihre eigene, verträumte Art. „Gut.“ Ihr Pinsel fuhr die Umrandung der Blätter nach. „Ich weiß noch nicht viel über ihn, aber ich glaube, das könnte etwas werden.“ Kurz hielt sie inne, den Pinsel erhoben, abwartend, was ihr die nächste Eingebung diktieren würde. „Ich mag ihn“, beschloss sie schließlich und tupfte einen Lichtreflex auf die Leinwand.
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