Aus den Notizen eines erfrorenen Landstreichers
Kälte. Der erste Eindruck eines neuen Morgens ist immer Kälte. Egal was ich tue, wo ich auch bin, sie kriecht verstohlen unter die dicksten Stoffschichten und nistet sich ein. Kälte ist verlässlich. Sie ist bei mir, wenn ich die Augen öffne und sie schmiegt sich an meine Seite, wenn ich ruhe. Ich kann sie nicht abschütteln, ihre Krallen widerstehen den Sonnenstrahlen eines heißen Spätsommertages und der Wärme eines knisternden Feuers in einer Tonne voll altem Papier.
Soweit meine Erinnerung in die Vergangenheit reicht, war sie mir nahe, folgte, wo immer ich mich auch hin wandte. Ich weiß, dass sie nichts Böses will, wenn sie mir in der Nacht auflauert. Sie tut es einfach, weil da sonst gar nichts wäre.
In den frühen Tagen versuchte ich, ihr auszuweichen, verbarg mich im Schatten rostiger Container oder in den engen Gassen weltentrückter Viertel, wo man nur kleine Ausschnitte des Himmels sieht und jedes Gesicht ein Leben erzählt. Doch die Kälte fand mich an allen Ort, ließ sich bei mir nieder, bewundernswert in ihrer Treue. Resignierend erkannte ich, dass Flucht unmöglich war.
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