Alles irgendwie ex
„Versuchen Sie doch einfach mal einen Düsseldorfer Korn, wenn Sie keinen Killepisch mögen“ sagte die Frau hinter diesem kleinen Durchreichefenster von dieser kleinen Lokalität in der Flinger Straße, die sich ´Kabüffke`nennt und nur ausgewählte Spirituosen für ihre Gäste bereit hält.
Ja nun gut, warum auch nicht? Bis zu diesem Zeitpunkt kanntest du den Düsseldorfer Korn nur vom Hörensagen, da konntest du den also genauso gut mal mit dem Kopp im Nacken in dich rein schütten. War jetzt eh schon egal. Nach all den Stunden in diversen Brauereien dieser Stadt.
„Ex und hopp“ sagte damals der „mit-dir-zusammen-den Kopp-nach-hinten-Kipper“ und so ging das dann hopp und da war der Korn dann sehr schnell ein Exkorn.
Das fiel dir da so ein, als du an einem sonnigen Dienstagnachmittag durch deine Stadt geschlichen bist und deine Blicke von hier nach da und den Menschen hinterher geschickt hast.
„Was iss?“ sagte der Typ vor dir zu dem Mädel an seiner Seite. „Nix“ zischte sie.
Klassisch, denkst du.
Wahrscheinlich ist der Typ bald ihr Ex.
Eine Ecke weiter rauscht ein BierBike an dir vorbei.
Zwölfsitzer.
Voll besetzt.
Fass Bier in der Mitte.
Und ein Riesengebrülle auf dem Bike. Dienstag um siebzehn Uhr und schon volle Pulle Party in der Stadt. Du denkst, das wäre nur am Wochenende so, aber so kann man sich täuschen. Lange Theke, heißt auch lange Woche, wenn es ums Feiern geht. Hoffentlich gibt das nicht Krawall am Ende des Fasses und nachher sind die Jungs da nur noch Exkollegen.
Überhaupt das mit dem Ex. Dir fällt der Lehmann ein. „Neue Vahr Süd“ heißt das Buch vom Regener und der hat da den Lehmann durch seine Bundeswehrzeit begleitet. Und als der Lehmann sich gedanklich von seinem alten Leben in sein neues aufgemacht hat, da hat der auch über diese ganzen Exe vor sich hinphilosophiert. Weil irgendwann ist eben jeder nur noch Ex von irgendwas und irgendwem.
Exkollege.
Exkumpel.
Exgymnasiast.
Exsoldat.
Ex-WG-ler.
All so was.
Ex eben.
Ja, denkst du so vor dich hin, das ist echt so im Leben. Da bist du nach dem letzten Korn am Kabüffke schneller Exbekanntschaft als du gucken kannst. Das schwimmt einfach so weg, Leben ist ja ein großer Fluss. Manchmal auch einer aus flüssigem Korn. Das ist eben so, da kann man manchmal gar nicht viel dran machen.
Das ist wie mit dem Tausendfüßler, an dem trotz aller Hässlichkeit an Graubeton dein Herz so hängt. Das dauert nicht mehr lang, dann ist das ein Exbauwerk dieser Stadt. So wie das alte ARAG-Haus, das du als Kind immer so toll gefunden hast, weil es so treppenstufenartig gebaut war und du dir immer vorgestellt hast, wenn du ein Riese wärst, dann könntest du dem Haus mal eben auf das Dach steigen. Jahre später machte es an einem Sonntagmorgen einfach „bumm“ und weg waren die Treppenstufen für den Riesen in dir. Einfach so. Das war dann eben das Ex-ARAG-Haus. Wer weiß jetzt schon, was die hier noch so alles in die Luft sprengen, so wie eben das alte Rheinstadion 2002 in Einzelteilen durch die Luft flog.
Exstadion. Ex-Lieblingsstadion.
Der Lehmann hat schon Recht, denkst du, als dich so ein Typ anspricht.
Ganz schön jung und ganz schön hübsch fragt er dich ganz schön keck, ob du ihm einen persönlichen Gegenstand von dir geben könntest und schielt dabei auf deinen Rucksack.
Die Frage nach dem Sinn und Zweck hättest du dir von vornherein sparen können. Aber irgendwie ist der Typ lustig und du drückst ihm dein Feuerzeug in die Hand. Das mit dem Emblem vom Exdrittligisten. Er strahlt dich an und du kannst es nicht sein lassen, ein bisschen zu frotzeln : „Haste jetzt aber Glück gehabt, dass ich dir nicht ein gebrauchtes Taschentuch in die Hand gedrückt hab, wa?“
Und da ging es hin, dein Exfeuerzeug mit einer Exzufallsbekanntschaft. Letztere auf der Jagd nach neuen persönlichen Exgegenständen von irgendwelchen anderen Menschen.
Du wohnst schon in einer bekloppten Stadt, denkst du.
Exklusiv, irgendwie.
Extravagant.
Exzessiv.
Extrem.
Alles irgendwie ex, denkst du und schlenderst wieder weiter.
Mit der Absicht, dir ein schönes kühles Alt auf alle Exe dieser Welt zu trinken.
Denn das mit dem Korn war ja schon längst ex und hopp.
A.K. 2009
Songline
11. Okt 2011
Ein schöner Spaziergang, dem ich extrem gern gefolgt bin 😀
enja
12. Okt 2011
Eine melancholische Geschichte mit Tiefgang. Trifft genau meinen Geschmack.
Gekka
12. Okt 2011
Hier kommt eine Ex-Autorin…aus einem Ex-Forum;-)
Gerne gelesen, gerne deinen Gedanken gefolgt.
Liebe Grüße
Gekka
Mumpitz
12. Okt 2011
… den Exorzist nicht zu vergessen… 😉