Rotorua – Brodeln aus dem Innern der Erde
Es stinkt. Es stinkt so sehr, dass ich den Geruch jederzeit aus der Erinnerung abrufen kann. Und doch möchte ich diese Erfahrung um keinen Preis missen. Ich bin schon gespannt, ob Anna das ebenso sehen wird.
Anna ist seit gestern in Rotorua. Man kommt dort an und möchte gleich wieder weg. Glaubt, dass es nicht auszuhalten sei. Erhofft sich Linderung für die beleidigte Nase innerhalb eines Gebäudes. Aber selbst dort ist man von schwefelhaltiger Luft umgeben, die unangenehme Erinnerungen an Stinkbombenattacken in der Schule hervorruft. Es gibt kein Entkommen, in Rotorua.
Neuseeland bietet auf engstem Raum eine Vielzahl geologischer
Besonderheiten. In der Umgebung von Rotorua glaubt man sich in die
Geburtstunde der Erde versetzt. Es brodelt und zischt. Aus Erdspalten und -löchern steigt Dampf empor, der den Schwefelgeruch mit an die Oberfläche trägt. Geysire bilden ein beeindruckendes Naturschauspiel. Und wer Orakei Korako besichtigt, tut gut daran, auf jeden Schritt zu achten, damit der Fuß nicht in einer kochend heiß blubbernden Schlammmasse versinkt.
Unglaublich, mit welchen Farben die Erde malt. Sinterweiß, terracottarot, schwefelgelb, zartgrau. Vieles davon in Bewegung und umgeben vom saftigen Grün, das sich auf erkaltetem Boden gebildet hat. Alles erscheint so unwirklich. So weit weg von jeder Zivilisation. Jenseits der Zeit, aus der man noch vor ein paar Minuten gekommen ist. Kaum läst man sich auf einem Felsen nieder, wird man Teil davon. Wie lange schon steigt dort der Dampf empor? Zehntausende von Jahren? Hunderttausend? Länger noch?
Die Erde brodelt vor sich hin und ich bin nicht einmal ein Wimpernschlag in ihrer Zeitrechnung. Das rückt so manches grade.
Die Kraft der Erde spendet Energie. Einige Maori kochen heute noch in Erdöfen und es gibt geothermische Kraftwerke zur Stromerzeugung. Neuseeland gewinnt 75% seines Bedarfs aus erneuerbaren Energien und die Dampfkraftwerke tragen einiges dazu bei.
Das Gebiet um Roturua wird aber nicht nur durch Vulkane und Thermalquellen geprägt, sondern auch durch die außergewöhnliche Vegetation. 85% der Pflanzen auf Neuseeland kommen nur dort vor. Zu den imposantesten Pflanzen gehören die Baumfarne, die rund 10 Meter hoch werden können. Auch in Farnwald empfindet man Ehrfurcht. Dieses Grün! Diese üppige Vegetation! Dazu die Geräusche der Tiere, die man bei genauerem Hinsehen in den Farnwipfeln versteckt entdecken kann. Es fühlt sich anders an als im Thermalgebiet. Dort bewegte die Schönheit der Materie, hier beeindruckt die Vielfalt der Lebensformen und die Harmonie, die sie zu einer Gemeinschaft macht.
Rotorua ist Maori-Land. Und so kann man die Nachbildung eines Maori-Dorfes ebenso besichtigen, wie das Arts an Crafts Institute, in dem die alten Künste der Maori gepflegt und bewahrt werden. In den dort produzierten Schnitzereien spiegelt sich auch die ursprünglich polynesische Herkunft der Maori wieder.
Wer in Rotorua ausruhen möchte von den Eindrücken des Tages, besucht die Polynesian Pools. Schwefelwasserbecken gibt es hier, gut für die Haut. Natürlich stinkt es, doch man nimmt es kaum noch wahr. Und wenn man sich eine Ganzkörpermassage gönnt, unter einer warmen Brause, dann hat man den Geruch schon fast vergessen. Ahh, das entspannt! Himmlich!
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Bildquelle: Songline
Hulemule
25. Mrz 2010
unglaublich wie lebendig du das schreibst – wirklich schade, dass ihr nicht gemeinsam dort sein könnt – ich bin gern mit meinen töchtern an orten, wo ich schon mal war und teile ihnen meine erinnerungen mit …