dankeschön, du liebe
… schreibst Du. Doch ich habe es so satt, das zu sein.
„dankeschön, du liebe“ Kleingeschrieben, natürlich, das ist hip heutzutage, alles klein zu schreiben. Was ist das? Euer Aufstand gegen das Establishment? Zu meiner Zeit ist man auf die Straße gegangen und hat demonstriert, gegen den Nato Doppelbeschluss und die Verlängerung der Startbahn-West, gegen das Atommülllager in Gorleben und für den Frieden in der Welt. Euer Protest findet auf der Tastatur statt, aber nicht durch scharfzüngige Statements, mit denen ihr Eure Meinung artikulieren könntet, nein, ihr schreibt alles einfach nur klein. Toller Protest.
„du liebe“. Woher willst Du das wissen? Du kennst mich nicht, nicht ein bisschen, Du kennst nur meine Kommentare. Ja sie sind lieb, meistens, bei Dir zumindest. Andernorts bin ich bissig, nein, nicht gnadenlos, aber ehrlich. Ehrlich zu sein ist schwierig heutzutage, da gibt es manche, die vertragen das nicht. Oder verwechseln was. Halten eine ehrliche Kritik an einer einzigen Aussage für eine Kritik an ihrer Person.
Das passiert vorrangig Männern. Männer sind so. Ja, ich weiß, dass ich nicht verallgemeinern soll, also gut: wahrscheinlich sind nicht alle Männer so, aber ich kenne viele Männer, die meinen, eine Kritik an einer einzigen ihrer Marotten oder an etwas, was sie gemacht haben, bedeute gleich die Ablehnung ihrer selbst als ganze Person. So ein Quatsch. Nein, ich weiß, Du kannst mir auch nicht sagen, warum das so ist, schließlich bist Du auch ein Mann.
„du liebe“. Ja, Du hast Recht. Meistens bin ich lieb. Aber weißt Du was? Ich habe es satt lieb zu sein. Denn die Lieben sind immer die Dummen. Ach, die ist lieb, die hat sicher Verständnis dafür, wenn ich sie stundenlang mit meinen Problemen zulabere, ohne sie mal zu fragen, wie es ihr geht. Ach ja, sie hat immer sooo viel Verständnis dafür, wenn ich mich daneben benehme. Dass die immer so lieb ist! Die ist so lieb, dass man sich geradezu darüber lustig machen kann, wie lieb die ist. Wenn man sie nicht gerade braucht.
„du liebe“. Die Lieben sind selbstverständlich, weißt Du. Zu selbstverständlich, um geschätzt zu werden. Zu selbstverständlich, um sich Gedanken um sie zu machen. Zu selbstverständlich, um auch nur für 2 Minuten darüber nachzudenken, dass die lieben vielleicht einfach verschwinden könnten. Bis sie weg sind.
„du liebe“. Ja, Du hast Recht. Meistens bin ich lieb. Aber ich habe auch meine Probleme, mit denen ich irgendjemanden stundenlang zulabern könnte, wenn denn jemand so lieb wäre, sich das anzuhören. Ich habe auch meine Wut, die ich jemandem ins Gesicht brüllen möchte, wenn denn jemand so lieb wäre, das auszuhalten. Ich habe auch meinen Schmerz, den ich rausweinen würde, wenn denn jemand so lieb wäre, mich festzuhalten dabei.
„dankeschön, du liebe“
Bitteschön, gern gescheh’n. Freut mich, wenn ich Dir eine Freude machen konnte.
manu
20. Jul 2010
mein erster Gedanke : der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht…
der zweite: was ist das nun – Wut oder einfach grenzenlose Enttäuschung? oder beides?
und zum letzten Absatz : wenn man es denn wirklich will und mutig genug ist, bin ich sicher es findet sich jemand, der so lieb wäre sich zulabern, sich auch mal anbrüllen ließe und die Arme öffnen würde….
wenn vielleicht auch nicht der, von dem man es sich so sehr wünscht…
Songline
20. Jul 2010
manu, der Text ist schon älter. Ich hate einen Text kommentiert und bekam vom Autor „dankeschön du liebe“ zurück. Der Text war dann irgendwie der Aufschrei gegen das Image, das man so im Internet zugeschrieben bekommt, wenn man immer nur einseitig wahrgenommen wird.
Danke für Deinen Kommentar.
koka
31. Jul 2010
Na du „liebe“, da hast du dir aber Luft gemacht, mh?
Songline
31. Jul 2010
Muss auch mal sein. Wo ich doch sonst immer so lieb bin 😉