Psst!

Es gibt ja Menschen, deren Neugier passt auf keine Kuhhaut. Da war ich doch letztens mit meiner Freundin in einem Café und wir plauderten so unbedarft vor uns hin, als ich merkte, dass die Ohren am Nebentisch immer länger wurden. Ihre Creolen hingen schon fast bis zur Tischkante. Unglaublich, so was. Dabei haben wir nur ganz gewöhnlichen Frauenkram erzählt, über Männer und so. Weiß der Geier, was daran so interessant war.
Ich guckte die Creolenfrau so böse an, wie es nur eben ging, mit meinem berühmten Teufelchenblick. Die hat auch schwupps ihre Ohren wieder eingezogen. Dachte ich.

Dieser Tage saßen meine Freundin und ich auf einer Parkbank, als es hinter uns im Gebüsch raschelte. Für ein Häschen war das eindeutig zu laut. Wir sprangen auf, kreisten das Gebüsch ein (so gut das zu zweit ging) und riefen: „Buh!“ Andernorts sind bei so einer Gelegenheit schon Großvögel tot umgefallen, hier aber hörten wir ein entsetztes Einatmen, dem ein aus vollem Herzen ausgestoßenes „Scheiße“ folgte.

„Nun bin ich gespannt“, sagte ich und glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als – leicht zerkratzt und mit verwuschelten Haaren – die Creolenfrau aus dem Blattgrün kroch.
„Das gibt’s doch nicht“, entfuhr es meiner Freundin.
In mir entspann sich der altbekannte Kampf zwischen meinem ES und meinem Über-Ich.
‚Hau ich ihr sofort eins auf die Nase oder hör ich mir erst mal an, was sie sagt?‘
Ich sagte nichts und guckte nur, nicht mehr à la Teufelchen, sondern eher satanisch.

„Ich hab …“, die Creolenfrau rang nach Worten, „Pilze gesucht!“ stieß sie erleichtert hervor.
„Und? Was gefunden?“
„Nein.“
„Wo ist denn dein Körbchen?“
„Welches Körbchen?“
„Jeder, der Pilze sucht, hat ein Körbchen!“
„Ich nicht.“
„Hast du denn ein Tütchen?“
„Nein.“
„Sonst irgendwas, wo du die Pilze hättest reintuen können.?“
„Nein.“

Meine Freundin und ich blickten uns an.
„Tja. Und nun?“, fragte ich.
Ich sah wilde Gelüste in ihren Augen aufblitzen und bekam Panik. Bisweilen ist sie nämlich wimmelig und dann geht ihr Temperament mit ihr durch.
„Aufhängen!“, sagte sie. Ich hatte es befürchtet.
Die Creolenfrau wurde weiß. Ich sah eine Bilderflut durch ihren Kopf zischen und spürte sie um ihre letzten Minuten zittern.
„Nicht dich, die Dinger in deinen Ohren. Damit selbige nicht mehr so lang gezogen werden.“, stellte meine Freundin klar.
Die Creolenfrau nahm ihren Schmuck ab und wir ihn mit. Wir banden ihn an einen Faden und warfen ihn über den höchstmöglichen Ast, den wir finden konnten.
„Schöner Baumschmuck“, sagte ich.
„Wir hätten ihn für Weihnachten aufbewahren sollen.“
„Nöö.“

Was aus der Ohrenfrau wurde, wissen wir bis heute nicht.

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