Zwischen Fels und Pflanze

Vorwort

Guck, ich lebe in Inspiration und einer Welt, die mich durch Poesie erzählt. Da stehe ich, blicke aus dem Fenster und atme den Wind, der schier unerreichbar die Krone einer Tanne streift. In Zärtlichkeit eingebunden, zwischen den vielen, die ich andere nenne, weil sie andere sind, erreiche Horizont nah, was mir wichtig, als Kind.

Das Spiel der Fragen und Antworten

„Erinnerst du dich, wie du dich fortgeträumt hast, wenn du warst, wo du nicht sein wolltest? Wer von uns lernt von wem? Ich habe gelernt, dass ich keine Antworten auf deine Fragen habe. Nicht, weil ich dumm wäre, sondern weil es keine gibt.
Keine, die Frieden bringen.“
„Was willst du dann hier?“
„Den Weg vom A nfang zum Ziel suchen. Ohne zu wissen, ob dieser der richtige ist.“
„Du weißt gar nichts.“
„Und du?“
„Ich weiß alles und sage es nicht.“
„Ich atme durch. Ungezählt die Tage, an denen ich aufgeben wollte und es nicht konnte.“
„Warum nicht?“
„Das, mein Held, erzähle ich dir später.
Aber weißt du, wenn ich im Stadtpark spazieren gehe und an meinem Lieblingsbaum innehalte, mit der Hand an der Rinde entlang streiche und an dich denke, frage ich mich, ob du diesen Baum so sehen würdest wie ich.
Siehst du noch Bäume? Oder siehst du das, wofür sie dir Wort wurden, um dem Unaussprechlichen Sprache zu verleihen? Für mich ist ein Ast ein Ast.“
„Ein Ast ist kein Ast.“
„Sage mir, was du in ihm siehst, wenn du so mürrisch dreinblickst. Wir sitzen hier, du schweigst, das verstehe ich. Du fragst dich, was ich von dir will und ich frage mich, ob ich unbefangen sein kann und Bilder zeichnen darf, die für mich schön sind, ohne Angst haben zu müssen, sie könnten auf dich eine andere Wirkung haben, dass du etwas mit ihnen verbindest, von dem ich nie auf die Idee gekommen wäre, dass es diese Bedeutung für dich hat.“
„Was für ein Satz.“
„Doch du verstehst ihn.“
„Ein Ast ist mehr. Äste tragen Blätter, werden vom Stamm gehalten, der stark ist und Schutz, bis etwas kommt, das stärker ist – ein Sturm könnte ihn entwurzeln, ein Sturm! Sie fallen, diese Blätter, sie fallen im Herbst. Neue kommen; das ist, was man weiß.“
Ich lasse deine Worte schwingen und sehe dich an, doch dein Blick weist geradeaus und du lässt mich mit der Frage allein, für wen der Ast, die Blätter, der Stamm und der Sturm stehen.


Aufgetaucht

„Bist du wütend?“
„Ja!“
„Warum?“
„Weißt du, ich sehe dich in diesen See springen und tauchen, so lange tauchen, dass man meinen könnte, du wolltest … Aber du bist wieder aufgetaucht. Und ich frage mich, ob du wohl aufgetaucht wärst, wenn du gewusst hättest, dass du heute noch mit dir machen lässt, was du damals nicht wolltest.“
„Du bist wütend, weil du hilflos bist?“
„Ja. Als Kinder waren mein Bruder und ich zusammen im Schwimmbad. Wir konnten schon schwimmen, machten aber eine
Wasserschlacht im Nichtschwimmerbecken und neckten uns. Es war ein Spiel, weißt du, ein Spiel. Irgendwann rauften wir und er drückte mich unter Wasser, lange, sehr lange, ich hatte keine Luft mehr und bekam Panik, versuchte, mich aus seinem Griff zu winden, doch er war stärker. Ich sah mich schon ertrinken, als er endlich losließ. “
„Du hattest Angst.“
„Natürlich! Seitdem tauchte ich nie wieder, wenn jemand in meiner Nähe war. Du hattest keine Angst.“
„Keine Angst haben ist gut, weißt du das denn nicht? Als ich abgetaucht bin, war ich unter Wasser frei. Als ich mich ins Gras warf, wollte ich Gras sein, und nie erwachsen werden. Manchmal stürze ich mich in die Ozeane meiner Erinnerungen, und du fragst, warum ich sie Meer nenne. Weil sie feucht sind, feucht von Tränen, die sich mit einer handbreit Liebe hätten … aber Liebe war mir fern. Was man kennt, fürchtet man nicht. Du sagst, du tauchst nicht, wenn andere in deiner Nähe sind. Ich sage, ich liebe nicht, wenn sie es sind. Werkzeug sein oder nicht, in mir drin bin ich wer.“
„Du?“
„Ja?“
„Mit dir würde ich tauchen.“


Stärker als …

Wieder sitzen wir zusammen, du nimmst die Bauklötze, stapelst sie und lässt sie mit dem Tippen deines Fingers zusammenstürzen.
„Damals habe ich es nicht verstanden“
„Was?“
„Als du den Stapel umstürztest und sagtest:
„So schnell brechen Dinge auseinander. Wie Menschen.“
„Niemand versteht es, niemand.“
„Wenn der Mensch nicht bricht, stirbt er. Nur du nicht.“
Es brodelt in dir, ich spüre es.
„Warum bin ich hier?“
Die richtige Frage wäre, warum du nicht brachst.“
„In mir wird es dunkel, wie immer, wenn Erinnerung mich zu sich ruft. Sie ist Geist und Mahnung. Für die, für die ich überlebte, war ich Ding, Werkzeug, wie Bauklötze, die sich mit einem Tippen gegen sie, umstürzen lassen. So einfach
wollte ich es denen nicht machen. Darum wohl, brach ich nur an Ecken.“

Durch die Wand

„Bei meiner Tochter kam sie auch durch die Wand.“
„Wer?“
„Eine Hexe. Meine Tochter hatte Angst und rief mich.“
„Was hast du gemacht?“
„Einen Besen genommen und die Hexe aus dem Zimmer gekehrt. Drei Nächte lang. Dann kam sie nicht mehr.“
„Hexen gibt’s gar nicht!“
„Mir genügte, dass sie sie sah.“
„Du sagst, du hast die Hexe mit einem Besen vertrieben, drei Nächte lang. Was, wären es drei Hexen gewesen?“
„Dann hätte ich etwas länger kehren müssen, bis ich sie alle vor der Tür gehabt hätte.“
„So hätten sie dich, wie mich die Monster, um den Schlaf gebracht.“
„Was ist mein Schlaf gegen die Ruhe meiner Tochter? Das stille Atmen meines Kindes, ihr ruhiger Schlaf, gegen mein … ja was?“
„Wir teilen die Mitte (uns) für die, die wir beschützen, weil wir deren Glück vor unseres stellen, statt unseren Schmerz zu deren zu machen, indem wir ihn verteilen.“
„Jetzt hab ich die Tränen in den Augen, weil ich mich freu.“
„Und ich lächle, weil ich dich vor Freude, nicht aus Kummer, weinend weiß.“

Aufbruch

„Ich muss los, willst du mich begleiten?“
„Ja, das will ich.
„Du kreuzt mein Herz, lange war niemand da.“
„Ich will immer da sein, wenn dein Herz nicht weiter weiß.“
„So lang wir jung sind und weich?“
„So lang wir leben, will ich dich nicht vergessen, Kind.“
„Das wirst du nicht.“

Texte: 2013 © A. Heinrich, John D. William
Alle Rechte vorbehalten.
Tag der Veröffentlichung: 03.06.2013

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