Glück gehabt

Da fuhr ich heut‘ mit meiner lieben Trude
zum Aldi, Wocheneinkauf sollte sein.
Es bildete sich an der Pommesbude
ein Stau. „Och nee, muss das jetzt sein?“,

sprach Trude, weil ein Bus die Sicht versperrte,
darinnen war ein Streit wohl frisch entbrannt:
Ein junger Schlacks an einem Alten zerrte.
Worum es ging, ist mir bis jetzt noch nicht bekannt.

Der Alte hatte ungeahnte Kräfte:
Ein Hebelgriff, ein Tritt, der Junge flog
verlustig aller seiner Mannessäfte
auf einen Sitz, wo er sich wimmernd bog.

Vor’m Aldi später trafen wir ihn wieder,
ein Knopf war fort, doch dran noch alle Glieder.

Frage ohne Antwort

Flashback. Ein grauer Tag, der Hügel und die Bäume im Regen. Sturm über der Palme. Nacht. „Siehst du den Stern da oben?“, fragst du. Natürlich sehe ich ihn, wie er leuchtet, für dich und mich.
Gedankenkreisel. Ein Vogel, ein König, ein Wagen. Du tiefer als das Meer.

Ich suche deinen Frieden in der Frage ohne Antwort und finde ihn nicht. Aber dich finde ich. Wie du mich.

Sehnsucht

Im ersten Licht des Tages
streichle ich morgenwarme Haut.
Ich wünschte, es wäre deine Hand
– nicht meine –
die ich dort spüre.

Des Killers Kissen

Killer Karl hat kein Gewissen,
mordet meuchelnd mit dem Kissen,
geht sich anschließend verpissen,
heimlich hinter den Kulissen.

Im Hals steckt Karl der Morgenbissen:
„Wer sah den Mörder mit dem Kissen?“,
will BILD von ihren Lesern wissen.
Wird er jetzt etwa angeschissen?

Karl denkt, er ist zu gerissen,
„Keiner sah mich, kann mich dissen.“
Doch beim Morde mit dem Kissen
ward ihm ein Hemdknopf abgerissen.

Die Polizei sucht ganz verbissen,
die Spuren werden klar umrissen,
am Ende hat Karl ausgeschissen
und sitzt im Bau – ganz ohne Kissen.

Hosentaschengedanken

„So steht sie heute noch da“, sagt meine Mutter und deutet auf ein Foto.
„Stimmt“, lacht meine Tochter und sieht mich verschmitzt an.

Die beiden blättern im Familienalbum. Von einer Schwarz-weiß-Aufnahme blickt ihnen eine 1 ½ jährige entgegen, die Hände locker in den Jeanstaschen versenkt und mit einem Blick, als würde ihr die Welt gehören.

Ich lächle. Die beiden haben recht. Ich fühl mich immer noch in Jeans am wohlsten und oft genug sucht meine Hand danach, was in den Taschen ist. Bonbons fanden sich darin, als ich noch Kind war, Murmeln, Muscheln, Steine. Nie ging ich ohne ein Stück Kordel aus dem Haus. Mein erstes Taschenmesser, selbst gekauft. Ein Groschen für den Eismann, später zwei. Zickzackgummi, mehrfach gleich, für Gummitwist und für den Flitzebogen, sofern ein Stock dafür zu finden war. Kreide, um die Hüpfekästchen aufzumalen. Wäscheleine, ein Zelt daraus zu bauen oder als Zügel für das Fahrrad, das dadurch zum Pferd mutierte.

Und heute? Heute finde ich dort einen Stein, rundgeschliffen, schön gezeichnet, ein Schmeichler in der Hand. Ein wahrer Schatz, der Ruhe schenkt – und die Erinnerung an Kindertage.

Typisch Mann

Viel versprach er, doch es kam
Nichts davon je bei mir an:

„Ich geh Geschenke für dich suchen
und uns eine Par-kuhr buchen,
Will Dir schreiben Mai-sonette,
dich verführen in dem Bette,
reparieren die Lek-türe
Dir schwören tausend Liebesschwüre.

Einen Zir-kus auf Dich hauchen,
dafür kannst du mich gut brauchen
Mer-ce-des, ist das dein Wunsch?
Und dazu nen dicken Punsch?

Möchtest du gern eine Torte?
Ich bag-dad“ war’n seine Worte,
doch im Bagh-wan sah er nicht,
dass Ka-mel im Hause ischt.

Und so sitz ich unter Fichten
Und versuch Vers-tand zu dichten.
Nicht für den, der gar nichts hielt,
nur für Didi, der drauf schielt.

Das Brautkleid

„Hier, nimm.“, sagte Katharinas Vater und gab ihr ein Bündel hellen, fast weißen Stoff. Er war kein Mann großer Worte, geschweige denn zu irgendeiner Gefühlsregung fähig. Katharina sah auf das Bündel, dann auf ihren Vater. Sie hätte ihm so gerne gezeigt, wie sehr sie sich freute, doch ihr strahlender Blick verlor sich in seinen Augen, ohne eine Reaktion hervorzurufen. „Danke!“, sagte sie leise. Er wandte sich ab und ging.

Vorsichtig faltete Katharina den Stoff auseinander, fünfmal, sechsmal, und mit jedem weiteren Mal wuchs ihre Freude. Ja, es war genug. Der Stoff war nicht an allen Stellen gut, er wies Nähte auf, Flecken und kleine Risse, doch wenn man es geschickt anstellte, würde es reichen. Katharina konnte ihr Glück kaum fassen.

Sie faltete den Stoff wieder sorgsam zusammen, nahm das Bündel und lief so schnell sie konnte die Straße hinab ins Unterdorf. Die alte Gitta würde ihr helfen. Früher hatte sie immer die Kleider genäht für die Frauen im Dorf, doch ihre gichtversteiften Finger ließen das nun nicht mehr zu. Aber sie würde ihr sagen können, was zu tun sei.
Weiterlesen »

Die Antwort

Die körperlichen Schmerzen waren schlimm genug.
Die Demütigungen waren schlimmer.
„Warum?“, fragte er, als er ein Junge war.
„Warum?“, als er heranwuchs.

Als er ein Mann war, hatte er seine Antwort gefunden.
Und als ein Junge zu ihm kam, und ihn fragte: „Warum?“,
sagte er ihm:

„Weil sie es konnten.“

Mathe für zwei

Ein Zahlentanz in Spalten und Zeilen. Beträge vereinigen und vervielfachen sich, bilden schließlich ein Ganzes. Eigentlich gibt es schönere Arbeiten, als Statistiken zu erstellen, aber diesmal geht die Fantasie mit ihr durch. Eine 6 und eine 9. Nein, die Summe ist nicht 15, sie ist 69, wenn man es nur richtig anstellt.

Schsch, konzentrieren, gleich kommt der Chef und möchte Ergebnisse sehen. Er wird nicht hören wollen, dass 6 plus 9 nicht zwangsläufig 15 ergibt. Also gut. 15 für den Chef.
Und die 69? Wandert in ein Kästchen, in dem schon die Erinnerung an den Eiffelturm liegt.

Wege

Nicht jeder Weg ist dafür da
gegangen zu werden.
Mancher ist einfach nur dafür da,
dass man ihn träumt.