Nichts und alles

Auf dem Wasser liegend ist nichts und alles. Im klaren See oder im Meer, die Augen geschlossen, einen leichten Wind im Gesicht. Getragen von den Geschichten der Zeit, die sich die Wesen dieser Welt erzählen. Versunken, nicht ertrunken, vergessend. Ausgeliefert und doch gehalten. Eins mit sich und den Klängen der Tiefe. Um dann die Augen ins Licht zu richten.

Weltreise

Ich würde gerne mit dir im Licht des Tempels von Abydos stehen,
auf Pamukkales Terrassen baden,
die Mosaiken Siziliens betrachten, du weißt schon, die hellen Steinchen und die dunklen,
die Samaria-Schlucht durchwandern, von oben bis unten,
den Uluru umrunden, an seinem Fuß, ohne einen Fuß auf ihn zu setzen,
an der Kante der Niagara-Fälle stehen,
und in Neuseeland …
bleiben.

Spurlos

Bilder malten sich und lösten sich auf. Wirklichkeit verschwamm im Fluss der Zeit, als hätte es sie nie gegeben. Es bedarf nur zweier Spiegel, aus einer Figur eine Unendlichkeit zu schaffen. So waren die Tage unendliche Spiegelungen. Geschehen, doch getäuscht. Nichts, was blieb.
„Nein“, schrie sie, „Nein!“
Das Feld war noch da. Es musste da sein, sie sah es. Und wenn sie es fände…
Bilder malten sich und lösten sich auf.

Die Geburt der Schnabeltiere

Einst lebte Naruni im Steppenland. Sie war die Schönste ihres Stammes und einem erfahrenen Krieger versprochen. Doch Narunis Herz schlug für Kuralka und sie floh mit ihm in die Berge. Dem Land entrissen, zu dem sie gehörten, getrennt von ihrem Stamm, der ihnen Schutz gab, vereinsamten die beiden und kehrten nach Monaten schuldbewusst zurück. Es wurde Recht gesprochen: Man verwandelte Naruni in eine Ente und Kuralka in eine Wasserratte und verbannte sie beide an einen weit entfernten Fluss.

In der Fremde legte Naruni zwei Eier. Als der Tag gekommen war, da die Jungen schlüpften, fuhr der Schrecken in ihre Glieder: Es waren Wesen mit Fell, Schwimmfüßen und einem Entenschnabel. Narunis Kummer wurde unerträglich. Verbannt von ihrem Land und ihrem Stamm, gebunden an das Wasser und ohne festen Boden unter den Füßen, mit Jungtieren, die in der Zeit kein Beispiel hatten, verging sie und starb.

Ihre Jungen aber belebten den Fluss und deren Junge alle Flüsse des Landes.

Rotkohlkopf

Da stehe ich also vor diesem Feld und betrachte den Rotkohl. Ein Kopf am anderen, hunderte, vielleicht tausende. Unwirklich das Ganze im letzten Licht des Tages. Foto. Auf dem Bild ein paar Köpfe blitzerhellt, den Rest vergisst die Nacht. Der Lehm des durchnässten Feldes klebt an meinen Schuhen. Aus der Mitte heraus muss es sein, einer nur, einer.

Ausgesucht und mitgenommen. Zuhause angesehen, befühlt, entblättert, Blatt für Blatt.
1. Lage: Rotkohl.
2. Lage: Rotkohl.
3. Lage: Rotk…
Ich schneide ihn auf. Rotkohl bis ganz innendrin. Wunderschön in seinen Farben. Lebendig. Die Linien verwoben zu einem Bild, das ihn einzig macht. Real. Und echt.
Was kümmert mich da der Lehm an meinen Schuhen.

Jeden Tag eine Frage

Heute ist es die
wie sich das wohl anfühlt
schon zu lügen
bevor man den Mund aufmacht.

Vorschau?

Dieses Bild
wie real, doch geträumt.
Und jetzt frage ich mich
war es ein Preview
zu einem Déjà-vu?

Weißt du noch?

Weißt du noch? Ja, du weißt es noch. Du weißt alles noch. Bist bei mir und hörst mir zu, wie du immer zugehört hast. Ruhig, mahnend, haltend. Oder tierisch aufgeregt, falls wir uns wieder auf die Palme bringen. Ich muss lachen, du auch. Unsere Palme ist unvergessen.

Manchmal versuche ich mir vorzustellen, was anders gelaufen wäre, wenn du nicht … Müßig, darüber nachzudenken. Der Konjunktiv hat noch nie jemanden weitergebracht und er wird es auch mit uns nicht tun. Du nickst. Ja, wir wissen es beide.

Wir brauchen keine Worte mehr. Du ziehst mit mir durch die Nacht und ich begleite dich durch deine. Sie ist dir Freund, hüllt dich ein, beschützt dich. Ihre Stille. Ihre Unendlichkeit. Ihr Frieden. Sternenhimmel über uns. Wie schon einmal. Und unendlich mal wieder.

Wenn ich dich erzählte

Es sind schon einige Menschen den Weg mit mir gegangen. Sie haben mir ihre Geschichten erzählt und ich hörte zu. Nahm, was man mir gab, wägte es, sah es mit meinen Augen. Blickte auf die hellen Steinchen in der Umgebung der dunklen. Schuf mir mein Mosaik des Gegenüber. Ebenso mit dir.

Dein Bild von dir und mein Bild von dir sind nicht dieselben. Wie wohl nie zwei Bilder eines Menschen sich entsprechen. Aus meinem glänzen die liebevollen Steine deines Mosaiks hervor, die starken, die lebensfrohen, auch die fragenden, die verletzlichen, die traurigen.

Wenn ich dich erzählte, erzählte ich das. Wenn dich andere erzählten, erzählten sie anderes. Wenn du dich erzähltest … Es werden nie zwei Bilder eines Menschen sich entsprechen.

Aber meines von dir bleibt in mir. Auch wenn ich es nur noch
mir selbst erzähle.

Wolkenritt

Nur ein paar Schritte noch hinunter zum Strand. Der Wind trägt das Salz des Meeres zu mir und bettet es in den erdigen Geruch der Wiesen und Moore. Dort unten stehst du, stolz, die Pferde am Zügel. Ein schwarzer Hengst, unruhig tänzelnd, ein wunderschönes Tier. Als ich näherkomme, erkenne ich die weiße Flocke auf der Stirn. Daneben eine Stute, braun und ruhig, wie ich es mir gewünscht habe. „Weißt du, wie lange ich nicht mehr …“, beginne ich. „Hab keine Angst“, sagst du und hilfst mir in den Sattel. „Wie heißt sie?“, frage ich. „Lair, das heißt Stute.“ „Und er?“ „Aidan, das Feuer“, lachst du und er macht seinem Namen alle Ehre und prescht los, kaum dass du auf seinem Rücken sitzt.

Ich schau euch nach und lass Lair laufen, wie sie mag. Sie ist brav, ich fühl mich sicher. Du kommst zurück im wildesten Galopp, eins mit Aidan. Wie er schnaubt. Er genießt die Freiheit so wie du, das aufspritzende Wasser unter seinen Hufen, die grünen Hügel links von euch und die Felsen in der Ferne. Ihr beide füllt das Land und das Meer, selbst den Himmel. „Ich liebe dich“, flüstere ich in den Wind. Ob er es zu dir trägt?
Weiterlesen »