Gehen können
„Diese Woche werdet ihr eine Überraschung mit mir erleben“, sagte mein Großvater. Ein paar Tage später stand er morgens auf, wusch sich und sagte zu meiner Tante, die ihm den Morgenkaffee aufs Zimmer brachte: „Heute ist die Überraschung da.“ Dann legte er sich hin und starb.
Humor und Dankbarkeit waren die beiden Eigenschaften, die meinen Großvater auszeichneten. Er war ein geachteter Mann, Landwirt, erdverbunden, zugleich Ortsvorsteher des kleinen Eifeldorfes, in dem er wohnte. Er hat viel durchgemacht, zwei Weltkriege überlebt, einen davon als Soldat, 2 Kinder, seine Frau und seine Geschwister begraben.
Aber er ließ sich nie von den Schicksalsschlägen unterkriegen, sondern erfreute sich bis zum Schluss an den positiven Dingen, die er erlebt hatte. Als er starb, hatte er alles geregelt und war mit sich im Reinen. So ließ er in Ruhe los.
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Vom Suchen und Finden
Manchmal stehen da solche Sätze und sie gehen einem nicht mehr aus dem Kopf. Die Gedanken kreisen darum und man versucht, den Inhalt zu verifizieren oder zu verwerfen.
„In dir finde ich mich, wie ich mich niemals suchte“, stand da.
Und an anderer Stelle „Man findet sich nicht in anderen, oder?“
Wie findet man sich denn?
Wenn ich mich suche, wie erfahre ich, wer ich bin?
„Ich bin ein gefühlskalter Klotz“, sagte ein Fels im Gebirge.
„Du bist mir Halt und Schutz“, sagte eine Pflanze, die in einem kleinen Spalt gewachsen war, den der Frost im Winter in den Fels gesprengt hatte.
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Mittagspausentraum
Ich würd jetzt gerne
im Stadtpark kuscheln
in Büschen kruscheln
die Zeit vertreiben
mit Einver-leiben
den Freund begrüßen
nichts denken müssen
nur Sommerblau
um uns herum.
schlaf wandel
gestern
hielt ich die luft an
gefühlstaub geschützt
heute
flüstert jeder meine Atemzüge
deinen namen
ganz einfach
es ist ganz einfach
ich schaff das
hochgehen
frischmachen
die verheulten augen auswaschen
ein blick in den spiegel
– mensch, seh ich scheiße aus –
egal
ein schritt vor den anderen
7 minuten zum parkplatz
doch, ich schaffe das
heimfahren
aussteigen
haustür auf
haustür wieder zu
stille
ganz einfach
stille
ganz allein
für mich
hüll mich ein
lass mich sein
einfach
fließen
einfach
fließen
Wandlungsfrage
Da hängen sie
Raupenleiber
aneinander geschmiegt
netzverwoben.
Ob sie es wissen?
Wissen sie
dass sie aus dem Kokon
als andere herausschlüpfen
den engen Körper abgestreift
als Flieger neu geboren?
Erinnern sie sich dann
an ihr Raupenleben?
Abstreifen täte auch uns manchmal gut.
Hinter sich lassen.
Das Kriechleben aufgeben.
Und fliegen.
Endlich
fliegen
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Foto: Songline
Eine gar traurige Geschichte aus Songlines Schlafzimmer
Es waren einst Millie und Jack
die lebten bei Songline im Eck
bis der Staubsauger kam
ihnen das Leben nahm
nun sind diese Wollmäuse weg.
Nahglück im Konjunktiv
Bist Du mir fern, tut es mir weh,
es zwickt und zwackt der dicke Zeh,
mein Herz mutiert zum Trauerkloß.
Was mach ich ohne Dich hier bloß?
Mir fällt ja nicht mal Lyrik ein,
nur ein Gedicht, das nicht mal fein.
Da hilft nur, höre doch mein Flehen,
dass wir uns zügig wieder sehen.
Dann wär das Fernweh ruckzuck weg,
mein Herz bekäm nen Freudenschreck,
die Muse käme auch zurück,
weil ich genösse nahes Glück.
Doch alles „hätte, wäre, wenn“,
das hilft mir nicht und ich erkenn:
Das Nahglück bricht im Konjunktiv.
Nur Fernweh bleibt – und Tränentrief.
„Offen will ich sein und notfalls unbequem“
Zum Rücktritt Horst Köhlers vom Amt des Bundespräsidenten.
Ausgerechnet jetzt. Ausgerechnet in einer Zeit, da Deutschland endlich wieder jubelt und die Begeisterung über den Sieg von Lena beim Eurovision Song Contest 2010 noch anhält, tritt Horst Köhler vom Amt des Bundespräsidenten zurück und das Land verfällt erneut in eine Art Schockstarre.
Dabei hat uns die 19-jährige Schülerin gerade erst die Negativschlagzeilen der letzten Monate vergessen lassen – Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Politikkrise, Griechenlandkrise, Eurokrise, Ölkrise im Golf von Mexiko. Und dann kam Lena. Im Rausch der ersten guten Nachricht seit Monaten war alles andere auf einmal vergessen. Doch der Trip währte nur kurz: Mit Horst Köhlers Rücktritt ist Deutschland wieder in der Realität angekommen.
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