stürmisch bunt

copyright: Tietze Linskens

stürmisch bunt – entwurzelt – der heimat entrissen – taumeln sie machtlos ihrem schicksal entgegen

erreichen schwindelnde höhen – wärmen sich ein letztes mal im glanze der sonne – sinken dem boden entgegen – landen hart auf dem dunklen asphalt

andere betten sich weich – ohne weiteren aufschub – auf einer lichtung inmitten einer decke gleichgesinnter – vielleicht an den ufern eines Baches – manche gar in ihm – um dort als botschafter der vergänglichkeit ins nirwana der zeiten zu fließen

ein besonders schönes exemplar – von besitzergreifender hand ausgewählt – zwischen die seiten des geheimen buches gelegt – manchmal vergessen – manchmal am nächsten tag schon verewigt in einer schatztruhe der erinnerungen – entkommt so für kurze zeit dem sturm der endlichkeit

die heimat dieser entwurzelten – einst selbst entkleidet bis auf die nackte Haut – erwacht nach langem, kalten traum – neigt ihr haupt nur dem wind – wiegt sich wissend in neuer, stets wiederkehrenden pracht

für eine gewisse zeit

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Text und Foto Tietze Linskens

  • Sehr gern gelesen.
    Ich bin heute auch schon lächelnd durch knisternde Herbstblätter gestromert.

  • Dieser Text hat was. Der ist „wow.“

  • Oh, wir fanden neulich solche gepressten Blätter in einer alten, geerbten, riesigen Familienbibel. Die sind bestimmt schon 60, 70 Jahre alt, und bei deinen Text kam mir das Geheimnis sofort in den Sinn, das sie aus einem alten, vergangenen Herbst in unsere Zeit trugen.

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