Rezension „Des armen Mannes Ehre“ von Heđin Brú

Heđin Brú
„Des armen Mannes Ehre“
Flamberg Verlag Zürich, 1966

Alte und neue Welt kollidieren. An Generationenkonflikten enstponnen sich die größten Dramen und Epen der Literaturgeschichte (Nibelungenlied z.B.). Oder auch kleine Erzählungen, wie diese hier.

Ein alter Fischer auf den Färöer-Inseln lässt sich dazu hinreißen, beim Fest der traditionellen Waljagd „Grindadráp“ ein großes Stück Walfleisch zu kaufen, obwohl es sein Budget übersteigt.
Für uns mag dieses „Abschlachten“ der Wale im Sund undenkbar sein. Für Ketil, den alten Fischer, ist es die Tatsache diesen Kauf getätigt zu haben, obwohl es seine Finanzen nicht zulassen. Da die Rechnung erst in ein paar Monaten kommt, bleibt ihm Zeit das Geld aufzutreiben. Denn Schulden machen, das ist gegen die Ehre des armen Fischers.

Zugegeben, für uns im Hier und Heute klingt das nicht spannend. Doch wegen der Handlung liest man dieses Buch nicht.
Man liest es, weil man dem Zeitgeist der 1960er und dem Milieu nachspüren will. So erwarten einen liebevoll gezeichnete, schrullige Charaktere und jede Menge Lokalkolorit, das nicht bemüht wirkt.
Mittelpunkt von Ketil‘s Haus ist die Rauchküche, über der auf Balken Hühner herumlaufen, ab und an etwas fallen lassen. Das Grasdach kann bei Sturm wegfliegen, man muss sich darauf legen und die Schäden mit neuem Stroh decken. Seine Frau hatte 40 Jahre lang dieses Haus nicht verlassen. Walfleisch ist Delikatesse, man kaut auf derben Stücken.

Doch bereits die Jungen leben in einer anderen Welt. Die Häuser haben Metalldächer, die Fischerboote Motoren, man geht einkaufen und gönnt sich etwas, zur Not auf Kredit. Walfleisch wird zerkleinert, oder gar gebraten.

Vor diesem Hintergrund laufen viele menschliche Konflikte. Verwandte reden nicht miteinander, untätige Alte jammern, Töchter wollen besser sein als ihre Mütter, der Tagedieb kommt immer durch. Am Ende helfen sie sich und teilen alles – und sei es nur, weil die Tradition es so will.

Die Alten arbeiten und sparen, stehen früh auf, benutzen alles bis zum Gehtnichtmehr. Sie verstehen die Jungen nicht, die auf Kredit leben, ihr Essen beim Krämer kaufen, morgens ausschlafen (also länger als bis 4 Uhr), faul mit Motorbooten fahren und sich fein benehmen.
Die Jungen verstehen die Alten nicht, die nur arbeiten und sparen, ohne zu wissen wozu, anstatt sich Zeit zum Leben zu nehmen.

Als Höhepunkt dient die Beerdigung seines Nachbarn. Die Alten kommen ins Dorf (nach 40 Jahren), sehen all die neuen Häuser, größer und schöner. Finanziert von systematischem Fischfang mit Motorbooten (damals die Industrialisierung der Färöer). Der Ortsvorsteher veruntreute einst Steuergelder, wurde danach als Kämmerer gewählt, weil er immerhin eine zeitlang in Dänemark lebte und vornehm reden kann. Ketils 24-jähriger, etwas minderbemittelter Sohn, bleibt zuhause – wo er mit der Tochter des Tagediebs im Bett erwischt wurde. Für Ketil, den alten Fischer, bricht eine Welt zusammen.
Aber genau darauf zielte dieses Buch ab.

Für uns ist dieser Höhepunkt nicht mehr sonderlich dramatisch. Ein nettes Zeitzeugnis des Lebens auf den Färöer-Inseln der 1960er ist es allemal. Und die menschlichen Konflikte sind ohnehin immer die gleichen. Nur kommen sie hier ganz unaufgeregt daher – was dieses Buch auf jeden Fall zu einer kurzweiligen und gelungenen Unterhaltung macht.

Das war jetzt mehr eine Zusammenfassung als eine Rezension. Nachdem das Buch im Deutschen aber nur über Antiquariate zu finden ist, kann ich ruhig Handlung vorwegnehmen – man sehe es mir nach.

HIER GIBTS WAS GRATIS:

Und wer von diesem kleinen Artikel neugierig wurde: ich biete das Buch g-r-a-t-i-s auf „Free Billy“ an.

Du musst eingeloggt sein, um zu kommentieren.