stürmisch bunt
stürmisch bunt – entwurzelt – der heimat entrissen – taumeln sie machtlos ihrem schicksal entgegen
erreichen schwindelnde höhen – wärmen sich ein letztes mal im glanze der sonne – sinken dem boden entgegen – landen hart auf dem dunklen asphalt
andere betten sich weich – ohne weiteren aufschub – auf einer lichtung inmitten einer decke gleichgesinnter – vielleicht an den ufern eines Baches – manche gar in ihm – um dort als botschafter der vergänglichkeit ins nirwana der zeiten zu fließen
ein besonders schönes exemplar – von besitzergreifender hand ausgewählt – zwischen die seiten des geheimen buches gelegt – manchmal vergessen – manchmal am nächsten tag schon verewigt in einer schatztruhe der erinnerungen – entkommt so für kurze zeit dem sturm der endlichkeit
die heimat dieser entwurzelten – einst selbst entkleidet bis auf die nackte Haut – erwacht nach langem, kalten traum – neigt ihr haupt nur dem wind – wiegt sich wissend in neuer, stets wiederkehrenden pracht
für eine gewisse zeit
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Text und Foto Tietze Linskens
Songline
2. Nov 2010
Sehr gern gelesen.
Ich bin heute auch schon lächelnd durch knisternde Herbstblätter gestromert.
Der Autor
3. Nov 2010
Dieser Text hat was. Der ist „wow.“
Mumpitz
7. Nov 2010
Oh, wir fanden neulich solche gepressten Blätter in einer alten, geerbten, riesigen Familienbibel. Die sind bestimmt schon 60, 70 Jahre alt, und bei deinen Text kam mir das Geheimnis sofort in den Sinn, das sie aus einem alten, vergangenen Herbst in unsere Zeit trugen.