Townships, Aids und Aufbruchstimmung

…nur einige der vielen unterschiedlichen Facetten Südafrikas..
Eine persönliche Betrachtung

Kapstadt- moderne Millionenstadt mit so vielen unterschiedlichen Gesichtern präsentierte sich gleich zu unserer Begrüßung von ihrer stürmisch sonnigen Seite. Entlang der Autobahn erblickten wir die ersten Armenviertel. Zäune, über die der Müll geworfen wurde;   Ziegen und Kühe, die dort noch Verwertbares suchten, Baracken (shags), die kaum den Stürmen hier standhalten können, daneben, davor und dahinter gleich die von der Regierung erbauten Häuser mit Strom- und Wasseranschluss. Später sollten wir bei einem Gang durch die Townships mehr erfahren- jetzt brachte uns der Minibus erst einmal ins Zentrum.

Der Tafelberg thronte in seiner gesammten Schönheit hoch über der Stadt, wolkenfrei ließ er uns zwar staunen, aber nicht einmal hinauf, der Sturm war zu stark, die Gondel fuhr nicht. Hochhäuser, Art-Deco-Bauten- alte Villen und herrschaftliche Häuser zeigten sich im Sonnenschein in ihren Glanz, ebenso das wunderschömne WM-Stadion. Sauber war es hier überall. Menschenmassen eilten an uns vorbei während  Schwarze und Mischlinge (coloured genannt) neben ihren Obst-und Getränkeständen  geduldig auf Kundschaft warteten und auf dem Greenmarket wurden all die Urlaubssouvenirs aus ganz Afrika angeboten. An den Kreuzungen sammelten sich die Arbeitslosen, in der Hoffnung für ein paar Euro einen Tagesjob zu ergattern, bei 50% Arbeitslosigkeit reine Glückssache.

Townships
Doch ich will nicht über das reiche, pulsierende Kapstadt erzählen, sondern von meinem Eindrücken, die ich inmitten der Townships sammeln konnte.
Mit einem Führer, ehemals Lehrer, gehen wir durch die riesigen Siedlungen. Die gepflegten Häuser der schwarzen Mittelschicht mit kleinem Garten finden sich gleich neben den heruntergekommen Hostals, wo sich circa 8 Männer (fern der Familie auf Jobsuche) zwei Schlafräume teilen, ein Plastikschlauch in einer feuchten Ecke ersetzt die Dusche, Spüle und ein 2-Plattenherd werden betrieben mit Prepaidstrom oder auch schon einmal von geklautem Strom. Die nicht genehmigten shags schließen sich an; mittlerweile zur Verfügung gestellte Dixietoiletten (Reinigung einmal wöchentlich) begrenzen das Bauland, sowie die dahinter befindliche Autobahn und die Bahngleise.

Sauber, ja, es ist tatsächlich sauber hier. Nicht nur, dass überall frisch gewaschene Wäsche hängt, auch die Wege sind ohne Müll, werden gefegt und die Bewohner achten trotz ihres monotonen, mal wieder arbeitslosen Tages auf ihr eigenes Äußeres und ihr Heim.
Lethagie und Apartheit liegt in der Luft, wird nur durch singende und spielende Kinder unterbrochen, die den Kindergarten und die Schule nicht besuchen können, da diese öffentlichen Einrichtungen nicht umsonst sind. Die von stattlicher Seite gebauten Reihenhäuser zeigen sich sehr unterschiedlich. Manche würden schon mehr als einen neuen Anstrich gebrauchen, andere erscheinen sehr gepflegt. Schaut man in den Hinterhof, so entdeckt man hin und wieder shags, für die die Hausbesitzer auf ihrem Grund und Boden jetzt Miete von den Nutzern verlangen oder gar selbst darin wohnen und verbotener Weise so gegen Bares ihr geschenktes Haus versilbern.

Aufbruchstimmung
Der nächste Weg führt laut Schild zu einem privaten Kindergarten und einer kleinen 2-Zimmer-Pension. Beides ist in Eigeninitiative entstanden.
Helfe ich mir nicht selbst, hilft mir keiner- ein Gedanke, der so ganz langsam erste Früchte trägt.Für die Kinder einiger berufstätiger Mütter wurde kurzerhand die Wohnküche in einen Gruppenraum umfunktioniert. Mittlerweile wurde das Haus aufgestockt und es verweilen dort bis zu 100 Kinder, in drei Altersgruppen aufgeteilt, Mittagessen, Singen, Tanzen, erste Bildungseinheiten inklusive und ganz wichtig dabei:
-Das Lernen, Nein sagen zu können (um so dem Missbrauch endlich das Deckmäntelchen der Verschwiegenheit zu entreißen)-
Ein straffer Tagesplan gehört ebenso dazu.Für die wenigen berufstätigen Mütter ein gutes und bezahlbares Angebot.
Ein Friseur, eine Schneiderei und eine kleine Reparaturwerkstatt haben sich auch schon etabliert.
Die erste Pension für Reisende aus aller Welt und jeder Farbe, während der WM ein beliebter Ort für Rucksacktouristen, ist mittlerweile nicht mehr die einzige ihrer Art hier. Heute noch kann Vicky, die Inhaberin, gut davon leben. Leben auch deshalb, weil der Staat endlich die notwendigen Medikamente für ihre Erkrankung umsonst zur Verfügung stellt.

Aids
Ein Thema, welches noch vor einigen Jahren totgeschwiegen wurde und so zur weiteren Verbreitung und zum sicheren, schnellen Tod führte. Die Regierungen selbst sind schuld an der rasanten Ausbreitung in Südafrika, da jahrelang nicht gehandelt und alles verschwiegen wurde. Der Präsident selbst hatte nach dem nächtlichen Besuch bei einer infizierten Prostituierten den Reportern auf die Frage nach Schutz und Verhütung geantwortet:
„Ich habe geduscht und ernähre mich gesund, besonders viel Rote Beete und Rhabarber.“
Erst die weltweiten Aidskonferenzen konnten ein Umdenken bewirken und das Thema gehört nun endlich in Kindergärten und Schulen zum Lehrplan. In jedem öffentlichen
Gemeinschaftsraum stehen kostenfreie Kondome zur Mitnahme bereit, so wie hier in diesem Township gleich neben den Chipstüten auf der Theke.

Es sind kleine Schritte, viele müssen noch gewagt und bewältigt werden, aber es ist ein Anfang.

Text und Fotos: Tietze Linskens

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