Rotel-Reisen: Abenteuer der besonderen Art

Stellen Sie sich vor, Sie liegen in einem Sarg…
Keine Angst, dieser Artikel wird keineswegs makaber, aber wenn allein diese Vorstellung schon klaustrophobische Symptome bei Ihnen hervorruft, sollten Sie nicht weiterlesen.

„Särgekutsche“ wird jenes Gefährt in Insiderkreisen bisweilen genannt, das auf allen Straßen dieser Welt zu finden ist: Das Rollende Hotel. Wer es sieht, mag es zunächst für einen Brieftauben-Transporter halten. Dies war zumindest mein erster Gedanke, bis mir ein Freund erklärte, was da von einem normalen Bus durch die Lande gezogen wird, nämlich die Unterkunft für die Bus-Insassen. Meine Neugier war geweckt. Diese Gefährt müsste man doch einmal ausprobieren, zumal man als alleinstehende Frau auf diese Weise alle Länder bereisen und den Einzelzimmerzuschlag sparen kann. Also habe ich 3 Wochen Ägypten gebucht, von Kairo durch die Wüste bis Assuan, Abu Simbel, Sinai-Halbinsel und zurück.

Mein erster Kontakt mit den Schlafkabinen bereitete mir Kopfzerbrechen. In 12 Reihen sind jeweils drei Kabinen übereinander angeordnet. Ich war in Reihe 9 oben und meine als Kind erworbene Fähigkeit, auf Bäume zu klettern, kam mir beim Aufstieg sehr gelegen. Die Kabine sah größer aus, als ich es anhand von Fotos vermutet hatte, doch üppig war sie nicht gerade: wenn man die Hände gegeneinander presst, reichen die Ellbogen gerade an die Kabinenwände heran (für Leute über 1,85 m ist es etwas enger) und man kann nur in gebückter Haltung sitzen (außer natürlich Leute über 1,85 m). Die Kabine hat am Kopfende ein kleines Fenster und in der Mitte ein Lampe. Man besteigt sie vom Fußende aus. Wie man in eine solch enge Kiste gelangt? An´s Fußende knien, einen gewagten Kopfsprung nach vorne machen und bis zum Fenster robben. Dieses lässt sich sogar öffnen! Ein weiches Kopfkissen und eine wärmende Decke bilden die Ausstattung. Bei Aussteigen muss man unbedingt darauf achten, nicht auf die Unterleute zu treten!

Die erste Nacht war fürchterlich! Nur durch dünne Holzbretter vom Nachbarn getrennt, hört ein jeder, was der andere gerade macht. Viele schnarchen, manche sprechen im Schlaf, ich selbst ziehe bei jeder Drehung mit Schwung die Bettdecke über die Ohren. Dies ist in einem normalen Bett nicht schlimm, aber im Rotel knallt man dabei an Wand 1, die Decke und Wand 2, mit dem Ergebnis, dass meine Nachbarn ein beständiges Klack, Bum, Klack zu ertragen hatten. Am Aussehen der Mitreisenden am folgenden Morgen konnte ich unschwer erkennen, dass diese ebenso sehr unter Schlafmangel litten wie ich. Zwei Tage später waren wir dann alle derart übermüdet, dass es mit dem Schlaf wunderbar klappte.

Hatten wir in Kairo noch auf einem Campingplatz gestanden, ging es dann in die Wüste. Ein jeder von uns erhielt einen Kanister, der mit Wasser zu füllen war. Nein, nicht etwa als Trinkreserve, sondern zum Waschen! Ein echter Wüstenfahrer muss auch einmal auf eine Dusche verzichten können! Auch Toiletten sind in der Wüste nicht vorhanden, so dass die Damen hinter der Damen-Düne und die Herren hinter der Herren-Düne das Nötige erledigten. Im Vergleich zu den nicht sehr sauberen ägyptischen Sanitäreinrichtungen ist die Wüste aber eine wunderbare „Entsorgungsstation“.

Die Verpflegung war einfach, aber lecker. Man muss allerdings Suppe mögen, die allabendlich aus frischen Zutaten selbst zubereitet wird. Tagsüber besteht in der Regel Gelegenheit, sich in einheimischen Lokalen zu verpflegen.

Und das soll Urlaub sein? Mit 36 wildfremden Leuten drei Wochen lang auf engstem Raum zusammenzuleben, sich nachts in eine Schlafkabine zu zwängen und von Suppe zu leben?
Tagsüber von dem mitfahrenden Reiseleiter von einem Besichtigungspunkt zum anderen gescheucht zu werden, um am Schluss die Namen der Tempel zu verwechseln?

Ja, das war Urlaub. Weil man ganz nah am Land und an seinen Bewohnern ist und nicht abgeschottet in einer Ferienanlage am Swimmingpool liegt. Weil man mit Leuten unterwegs ist, die sich selbst nicht so wichtig nehmen. Die bewusst mit diesem niedrigen Standard auskommen. Die sich noch auf ein Reiseland einlassen können. Denen vor allem an dem gemeinsamen Erleben mit den Mitreisenden etwas liegt. Dies geht nur dann, wenn sich jeder ein wenig zurücknimmt, da der Tagesablauf ohne gegenseitige Rücksichtnahme nicht funktioniert.

Rotel bietet in erster Linie ein Gemeinschaftsgefühl. Und es gibt nur zwei Sorten von Reisenden: diejenigen, die nur einmal mit Rotel fahren, weil sie mit dieser Art des Urlaubs nichts anfangen können. Und diejenigen, für die es zur Sucht wird. Unschwer zu erraten, dass ich zu letzteren gehöre.

Rotel-tours

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