Bis ans Ende des Regenbogens
Ich hörte einen Gesang in der Ferne, als ob ein Chor aus hundert Engel singen würde. Ich verstand die Sprache nicht, aber dennoch bildete ich mir ein, die Botschaft darin zu verstehen. Die Melodie kam mir so vertraut vor, als hätte ich sie schon einmal gehört. Die Engel sangen von einem Land, weit weg von hier. Ich lauschte dem Lied und begab mich auf die Reise, obwohl ich mich gar nicht zu bewegen schien, zog ich an Menschen, Kulturen und Ländern vorbei, die ich bisher noch nicht kannte. Die Eindrücke sog ich ein wie ein Schwamm. Die Welt um mich herum dreht sich und ich fühlte mich als ihr Zentrum. Die Nächte brachten neue Tage, Sterben bedeutete Leben, die erlebte Liebe hieß Erfüllung. Ich ließ mich fallen, ließ mich gehen und gab mich dieser unsichtbaren Macht hin.
Nun fand ich mich wieder. Angekommen, wie es schien. Ich stand in einem fremden Haus. Ein neuer Tag brach an und Sonnenstrahlen schienen durch das Fenster. Am Ende des Flurs sah ich eine Türe und als ich diese öffnen wollte, hörte ich wie ein Baby seinen ersten Schrei von sich gab. Ich sah die Mutter und das Neugeborene. Die Mutter sah mir direkt in die Augen, und ich spürte, wie sie durch mich hindurch sah. War ich unsichtbar?
„Nun bist du geboren bei Tagesanbruch. Die Sonne umgibt dich, und die Welt heißt dich Willkommen.“, sagte die Frau zu ihrem Kind. Wie wunderschön und vollkommen war diese Bild und ich spürte, wie eine Träne über meine Wange lief. Ich ging aus dem Zimmer, hinaus auf die Strasse und lief ziellos in diesem kleinen Dorf herum. Dabei streifte ich vorbei an Frauen, die Früchte, Gemüse und selbstgemachtes Essen an Ständen verkauften. Ihre Männer waren unten, beim Fluß, kauten Tabak und dachten an ihre Arbeit, welche noch nicht verrichtet war. Kinder Spielten oder lagen im Gras mit geschlossenen Augen und träumten in den Tag. Ich ging einen Weg entlang, der hoch durch Geäst und exotische Bäume führte. Ich genoß die Stille, sie brachte mir innere Ruhe. Die Luft war erfüllt von einem herrlichen süßen Duft. Ich fand eine Orchidee am Fuße eines großen Baumes und roch daran. Der Duft war betörend und ich war wie in Trance.
Ich erwachte in einem Zimmer. Ich war verwirrt und wußte nicht, wie ich hierher gekommen war. Ich hörte Geräusche und stand auf. Wackelig auf den Beinen, stand ich in der Küche, die eigentlich aus einer Feuerstelle, einem Tisch, einem Stuhl und einer alten abgewetzten Couch bestand. „Da bist du ja wieder. Du solltest nicht an fremden Blumen riechen.“, sagte ein alter Mann mit grauem Haar und Ziegenbart, der plötzlich hinter mir stand. Er lebte alleine hier oben. Ihm fehlte es an nichts. Er pflanzte Kräuter und Gemüse an. Eßbares gab es unten im fruchtbaren Wald in Hülle und Fülle zu finden. Er bot mir an, hier zu übernachten um mit ihm den Berg zu erklimmen. Er sagte, ich würde dort etwas finden. Ich willigte ein und war aufgeregt, was mich dort oben am Gipfel erwarten würde.
Es war noch Dunkel, aber der alte Mann war hellwach und weckte mich. Er packte mir einen Rucksack, Ich wußte nicht war er hinein getan hatte, aber er war schwer. Ohne ein Wort wanderten wir den beschwerlichen Weg hinauf. Ich rutschte gar ein paar Meter ab, aber ich verletze mich dabei nicht. Ich dachte nicht, daß der alte Mann noch so viel Energie hatte, denn ich hatte manchmal Mühe, mit ihm mitzuhalten. Nach sechs Stunden Marsch, waren wir nun hier. Mit einem Mann, den ich nicht kannte, aber vertraute. Zusammen saßen wir auf dem höchsten Punkt dieses Berges, Seine Regentropfen netzten meine Haut, doch über uns war der Himmel klar. Ein Regenbogen erstreckte sich am Horizont. Der Wind fuhr durch meine Haare und kühlte mich ab. Unter uns riß die Nebeldecke auf, und wir sahen auf die Dörfer, die Hochhäuser der Stadt, in der Ferne war sogar das Schimmern des Ozeans zu erkennen. Ich fühlte mich wie ein Gott, der hoch oben auf seinem Thron saß und auf die Welt hinunter blickte.
Suchend sah ich mich um, aber der alte Mann war nirgends zu sehen. Ich rief nach ihm, aber alles was ich hörte, war mein eigenes Echo. Nur der Rucksack war noch da und ich öffnete ihn. Doch als ich hineingriff, war nichts drin. Ich drehte ihn sogar um, aber da war wirklich nichts. Warum war er denn nur so schwer, als ich ihn anzog?
Ein Geräusch riß mich aus meinen Gedanken. Erschrocken riß ich meine Augen auf, Ich fand mich zu Hause in meinem Bett. Das Geräusch, das ich hörte, war der Wecker. Nun fühlte ich mich wie eine Blume, die am verwelken war, und Stille umhüllte mich.
Die Sonne schien durch das Fenster, und ich hieß den neuen Tag willkommen, denn ich beschloß, mich auf die Suche zu machen um diesen geheimnisvollen Ort zu finden.
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