fridas Lesetipp: Val McDermid „Alle Rache will Ewigkeit“

Ein College in Oxford, ein dort an seinem Hochzeitstag ermordeter Ehemann, seine Witwe, die sich als Lesbe entpuppt, deren undurchsichtige Geliebte, eine noch undurchsichtigere Therapeutin, und mittendrin eine derzeit suspendierte psychiatrische Gerichtsgutachterin, die von der besorgten Mutter der Witwe auf deren Geliebte angesetzt wird, weil sie davon überzeugt ist, dass die den Ehemann umgebracht hat.

Das sind die Grundlagen für den Plot von „Alle Rache will Ewigkeit“, dem neuesten auf Deutsch erschienenen Kriminalroman von Val McDermid, einer in der Reihe der „stand alone“-Krimis, die im Abstand von 2-3 Jahren zur Tony Hill/Carol Jordan-Reihe erscheinen. Eine Besonderheit von „Alle Rache will Ewigkeit“ ist, dass nahezu alle handelnden wichtigen Personen nicht nur Frauen sind, sondern darüber hinaus lesbische Frauen, deren gemeinsame Grundlage das akademische Milieu des – fiktionalen – St. Scholastika Colleges in Oxford ist. Nun ist Val McDermid bekanntermaßen Lesbe und war darüber hinaus die erste Schottin, die von einer staatlichen Schule auf ein (Frauen-)College in Oxford gehen durfte. Man kann also getrost davon ausgehen, dass sie sich sowohl als auch mehr als gut auskennt.

Der Plot gestaltet sich gewohnt souverän und wie immer komplex, also nicht so leicht zu durchdringen. Charlie Flint wird von Corinna Newsom – ihrer Ex-Dozentin – angeheuert, um Jay Macallen Stewart, die Geliebte ihrer Tochter Magda (der Witwe) als Mörderin des Ehemanns zu entlarven. Charlie, derzeit suspendiert und beruflich frustriert, gleichzeitig verstrickt in einer nicht offen ausgesprochenen amourösen Verwicklung mit einer Therapeutin namens Lisa Kent, obwohl sie in einer langjährigen, eigentlich glücklichen Beziehung steckt, wird zur Ermittlerin wider Willen. Zum einen fasziniert sie die Aufgabe, zum anderen befürchtet sie aber, dass hinter Corinnas Ansinnen auch homophobe Motive stecken, denn Corinna ist durchaus der Überzeugung, dass Magda sich von Stewart hat verführen lassen, ohne tatsächlich genuin lesbisch zu sein.

Parallel dazu entwickelt sich – wie so oft bei Val McDermid – ein zweiter Handlungsstrang, der sich am Ende mit dem Haupterzählstrang verbindet. Jay Macallen Stewart – höchst erfolgreiche Geschäftsfrau – schreibt nämlich an ihrer Autobiografie, die aber offensichtlich von ihr manipuliert wird. Man weiß als Leser/-in nie genau, ob und wie weit Stewart gerade tatsächlich die Wahrheit sagt oder ob wir nur die geschönte Version lesen. Die Erzählungen von Stewart wechseln sich mit den Ermittlungsbemühungen von Charlie ab, so dass man von Cliffhanger zu Cliffhanger eilt. Stewart ist eine Schlüsselfigur, aber nicht nur Charlie Flint, sondern auch als geübte Leserin braucht man sehr lange, um das passende Schloss zu diesem Schlüssel zu finden.

Mit Jay Macallen Stewart und insbesondere Lisa Kent hat Val McDermid die unsympathischsten lesbischen Romanfiguren seit langem kreiert. Beide als höchst manipulative Charaktere angelegt, versteht man so gar nicht, was ausgerechnet die nette und sympathische Charlie an einer „bitch“ wie Lisa Kent so faszinierend findet, dass fast ihre Beziehung dabei drauf geht. Charlie Flint dagegen hätte das Zeug, literarisch zu einer Ermittlerin mit einer eigenen Reihe weiterentwickelt zu werden, vergleichbar einer Lindsay Gordon, aber jetzt auf einem sehr viel höherem literarischen Niveau.

„Alle Rache will Ewigkeit“ ist McDermidsche Krimikunst wie immer auf höchstem Niveau, keine Minute langweilig, gut und flüssig geschrieben, und man muss schon selbst gut aufpassen, dass man sich von Jay Macallen Stewart nicht manipulieren lässt.

„Alle Rache will Ewigkeit“ ist teilweise dafür sehr gescholten worden, dass die Figuren überwiegend lesbisch sind und Val McDermid wurde sogar „Missionierung“ unterstellt. Solchen Rezensenten kann man da nur ins Stammbuch schreiben, dass sie selbst mal ihre eigene Homophobie gründlich überdenken sollten.

„Alle Rache will Ewigkeit“ (englischer Originaltitel: „Trick of the Dark“), Kriminalroman von Val McDermid, 12/2011 auf Deutsch erschienen, 567 Seiten.

www.valmcdermid.com

© frida 2012

  • Schöner Lesetipp, nur leider aufgrund der dunklen Hintergrundfarbe nur zu lesen, wenn man den Text markiert!

    • Sorry, ich weiß auch, was ich hier gemacht habe. Das ist mir auch noch nicht passiert – so ein dunkler Hintergrund, völlig blöde zu lesen.

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