Mein Bild von Dir

Ich hab mein Bild von Dir geliebt
Und nun erkennen müssen
Dass der, der Du in Wahrheit bist
Nicht liebenswürdig ist für mich.

Ich hab mein Bild von Dir geliebt
Hab immer das entschuldigt
Was andere schon vor langer Zeit
Als unsozial empfunden.

Ich hab mein Bild von Dir geliebt
Und mit der Zeit erfahren
Wie weh es tut, wenn so ein Bild
Durch Wirklichkeit zerspringt.

Ich hab mein Bild von Dir geliebt
Es mehrfach noch gekittet
Nun liegt es wieder auf dem Grund
Und diesmal lass ich’s liegen.

Audio Mein Bild von Dir – gelesen von Juliane Ahlemeier

  • Tja. Was ist das dann?

    Ja, Traurigkeit kommt hoch. Resignation. Es scheint eine Illusion zu sein – diese Beziehungskiste. Man sollte sich von allem trennen, was einem nicht gut tut.

    Fand Gekka schon in einem vorherigen Kommentar
    und finde ich jetzt langsam auch. Dein Herz fluestert nicht, es scheint zu weinen

    Bleiglass

  • Bleiglass, mein Herz macht ganz viel. Auch feiern, lachen, lieben, sich freuen, sich gut unterhalten. Es kommt halt drauf an, mit wem es zusammen ist. Von dem, der es zum weinen bringt, hat es sich gerade verabschiedet.

  • Die äüßere Form des Gedichtes drückt den Inhalt aus. Alles ist zwar rhythmisch, gestropht, geordnet, aber dennoch holpert es und klemmt, nichts ist gefällig, nichts reimt sich.
    Es ist wahrscheinlich oft so, dass man ein Bild des anderen liebt. Manchmal bleibt es dabei. Es ist ein Wechselbild, man kann sich den anderen reinmalen, wie man ihn grad braucht. Auch den Rahmen kann man auswechseln. Nur den Menschen selbst, den nicht.
    Wahrheit und Wirklichkeit werden im Gedicht dem Bild gegenübergestellt. Es ist vielleicht wie bei Suchbildern. Hat man die fünf Fehler einmal entdeckt, kann man nicht mehr daran vorbeisehen. Wenn es Fehler sind, die man nicht tolerieren kann, weil sie einem wehtun oder schaden oder weil sie traurig machen.
    Ich glaube, so eine bewusste Zerstörung eines Bildes kommt nicht so ganz oft vor.

  • Es tut sicherlich weh, wenn die Wirklichkeit das Bild, das man sich gemacht hat, zerpringen lässt und wenn man feststellen muss, dass kein Kitt es wieder zusammenfügen kann. Aber irgendwann stellt man fest, dass der Schmerz weg ist. Wie das Bild, das man sich von jemandem gemacht hat! Enttäuschung, die bleibt. Aber heißt Enttäuschung nicht, dass man von einer Täuschung befreit wurde? Kann man also durchaus positiv sehen!
    Silijo – auch ent – täuscht

  • silijo, ich denke schon eine Zeit über die Ent-Täuschung nach und bin kein Anhänger davon.
    Wenn man feststellt, dass das Bild zerbrochen ist, so bleibt doch die Zeit, in der man das Bild gemalt hat, in der man sich kennenlernte, in der man gemeinsame Erlebnisse hatte. Diese Zeit ist keine Täuschung, sondern Realität. In diese Zeit fallen Ereignisse, von denen man nicht befreit werden möchte, weil sie auch schön waren.
    Die Tatsache, dass das Bild einer Person zerbrochen ist, bedeutet nicht automatisch, dass man mit dem kaputten Bild auch die Erinnerungen über Bord werfen möchte.
    Es ist nur so, dass keine gemeinsame Zukunft mehr möglich ist. Weil es ist, wie Mumpitz schrieb: Das Suchbild hat einen unübersehbaren Fehler.

  • Wer ist schon ein Anhänger von Enttäuschungen? Ich glaube keiner – und wenn man noch so sehr nach dem Positiven sucht. 🙂 Und ich gebe dir vollkommen Recht: Man muss nicht alle Erinnerungen über Bord werfen – einige sind es durchaus wert, bewahrt zu werden!

  • Toll. Mir gefällt’s! Sagt was aus, geht nahe und es holpert und klemmt auch nicht, wie einer der Vorkommentatoren meinte. Ich finde es im Gegenteil sogar richtiggehend geschmeidig. Und gerade weil sich das Gedicht nicht reimt, ist der glatte Wortfluss auffällig. Ich kann was damit anfangen.

  • spricht mir grad aus der Seele…obwohl bei mir die Versuchung, das Bild wieder aufzuheben, noch sehr groß ist..

  • Fällt mir grade ein: Da machte ich mir ein Bild von dir, es passte nur leider nicht zu mir :)) Spontan, um 6.47 Uhr. Jetzt wäre ich ja gerade erst nach Hause gekommen und jetzt endlich werde ich auch langsam müde. Grüß dich, KoKa
    PS) Du schreibst sehr gut 😉

  • irgendwann ist es wohl die beste Entscheidung das Bild auf dem Grund zu lassen, bevor man beginnt es in immer schwärzeren Farben zu übermalen…

    gefällt mir der Text!

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