So wählt Amerika
Warum hat jeder amerikanische Präsident einen monatelangen Wahlkampf hinter sich, bevor er vereidigt wird? Das liegt am alten Wahlrecht in den USA. Anlässlich der Wahl von 2012 wird erklärt, wie diese funktioniert.
Das ist nämlich in Amerika gar nicht so einfach. Jeder Kandidat braucht zuallererst ganz viel Geld, um den Wahlkampf zu bezahlen und ganz viel Kondition, um von einem Bundesstaat in den nächsten zu fahren und für sich zu werben. Amerika ist nämlich groß, wie wir wissen, da gibt es mehr als dreimal so viele Bundesstaaten wie bei uns Bundesländer und somit einiges zu tun.
Außerdem ist das in Amerika mit dem Wahlsystem ziemlich kompliziert. Zuerst mal muss der Kandidat mindestens 35 Jahre alt, seit mindestens 14 Jahren in den USA wohnhaft und von Geburt an US-Bürger sein. Da kann also nicht einfach so ein dahergelaufener Einwanderer kommen, sich einbürgern lassen und Präsident werden. Ne, ne, so geht das da nicht.
Die Präsidentenwahl findet alle vier Jahre statt und zwar immer dann, wenn die Jahreszahl durch 4 teilbar ist. Also genau wie die olympischen Sommerspiele und die Schaltjahre. Aber das fällt nur zufällig zusammen.
George Washington, der der erste Präsident und ein kluger Mann war, hatte vorgeschlagen, dass kein Präsident länger als zwei Amtszeiten regieren sollte und alle haben sich freiwillig dran gehalten. Nur Franklin D. Roosevelt nicht. Der war gerade Präsident, als der 2. Weltkrieg anfing, und wollte deshalb nicht abtreten. Die Amerikaner haben ihn dann tatsächlich viermal gewählt, 1932, 1936, 1940 und 1944, aber dann ist er im Jahr nach der letzten Wahl gestorben, übrigens gerade bevor der Krieg zuende war. Na ja, wie auch immer, jedenfalls ist Roosevelt der einzige Präsident, der länger als 2 Amtszeiten Präsident war, denn nach Roosevelt haben die Amerikaner die Beschränkung auf zwei Amtszeiten gesetzlich verankert.
Die Präsidentenwahl findet immer an dem Dienstag nach dem ersten Montag im November statt. Das ist in diesem Jahr der 06.11.2012. Warum der Wahltermin ausgerechnet auf diesem Dienstag liegt? Ganz einfach:
Die Wahlgesetze stammen aus dem Jahr 1789. Damals gab es in Amerika weder Autos noch Eisenbahn noch Flugzeug und alles wurde per Pferd oder Pferdekutsche transportiert, auch die Post. Weite Teile der Bevölkerung waren Farmer. Also hat man den Monat November gewählt, weil dann die Ernte eingefahren war, aber noch kein Schnee lag, so dass die Wege noch frei waren und die Farmer die Wahllokale erreichen konnten.
Zu dieser Zeit war der erste Tag eines Monats immer der Tag für Prozesse bei Gericht. Damit Richter, Angeklagte, Anwälte und Zeugen auch wählen konnten, brauchte man also einen Tag, der nicht der Monats-Erste war. Darum hat man sich überlegt, den Dienstag nach dem ersten Montag zu nehmen, weil er nie auf einen Monats-Ersten fallen wird. Außerdem war der Dienstag günstig: die Leute hatten dann montags Zeit, um zum Wahllokal anzureisen – wir erinnern uns: per Pferd oder Kutsche.
Nun ist ja Amerika sehr, sehr groß (etwa 26 mal so groß wie Deutschland) und es gab 1789 weder Radio, noch Fernsehen oder Internet. Demzufolge konnten die Wahlberechtigten nicht alle Kandidaten kennen, die Präsident werden wollten. Darum wurde das System der Wahlmänner eingeführt. Ein Wahlmann soll jemand sein, der den Kandidaten kennt und den Menschen in seinem Wahlkreis sagen kann, „ich kenne ihn und das ist ein guter Kandidat und deshalb werde ich ihm meine Stimme geben.“
Der Wähler vertraut dann dem Wahlmann seine Stimme an, damit dieser den „richtigen“ Kandidaten wählt.
Die Amerikaner wählen also bei der Wahl am 06. November nicht den Präsidenten, sondern 538 Wahlmänner. Da die Wahlmänner aber vorher erklärt haben, für welchen Präsidentschaftskandidaten sie sich entscheiden werden, fällt mit der Wahl der Wahlmänner auch indirekt die Entscheidung über den Präsidentschaftskandidaten. Aber nur fast, denn die Wahlmänner sind nicht in jedem Bundesstaat an ihre vor der Wahl abgegebene Erklärung gebunden und können theoretisch auch noch für den anderen Kandidaten stimmen.
Die eigentliche Präsidentenwahl durch die Wahlmänner findet am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember statt, das ist in diesem Jahr der 17. Dezember. Dazu treffen sich die Wahlmänner jedes Bundesstaates in ihrem Bundesstaat und stimmen für den Präsidenten und den Vizepräsidenten. Die Stimmen werden in „Certificates of Vote“ unterschrieben, versiegelt und beglaubigt an den Senatspräsidenten und den Archivisten der Vereinigten Staaten in Washington verschickt. Das Wahlmännergremium tritt somit nicht als ganzes zusammen.
Da es eine Weile dauert, bis alle Certificates in Washington eingetroffen sind, findet die Auszählung der Wahlmännerstimmen erst Anfang Januar 2013 im Kongress statt. Erst dann steht auch endgültig fest, wer neuer Präsident und neuer Vizepräsident wird.
Die beiden werden dann am 20. Januar 2013 um 12.00 Uhr mittags vereidigt.
Von dem Wahlsystem der US-Amerikaner ist man im ersten Moment etwas befremdet, aber es erklärt sich aus der geschichtlichen Entwicklung heraus. In Anbetracht des heutigen technischen Standards sind sicher viele Dinge überholt, insbesondere das Wahlmännersystem. Aber bisher konnte keine Partei eine ausreichende Mehrheit für eine Verfassungsänderung erringen, so dass es, falls man sich nicht einigt, sicher noch einige Zeit bei diesem Verfahren bleiben wird.
Mumpitz
18. Okt 2012
Sehr erhellend, super recherchiert!