Die Tür
„Schsch, Maus, alles gut, alles gut.“ Clare nahm ihre Kleine in die Arme und wiegte sie. „Ruhig, Maus, du weinst die Vergangenheit.“
„Weil sie ins Heute reicht.“
Clare schwieg. Damals war so lange her, ihr Leben minus vier Jahre. Ihre ersten Tränen, die nicht getrocknet wurden. Das erste Mal, dass man sie in ihrer Traurigkeit allein ließ. Ihr Vater hatte sie durch den Türspalt angesehen, mit tränenverklärten Augen, und war zu ihrer Mutter ins Nebenzimmer gegangen. Zwei Eltern in Trauer um ihr totes Kind. Und eine Schwester, die nicht wusste, was geschah.
„Ruhig, es ist gleich vorbei.“
„Es geschieht immer wieder neu.“
Kleine Kinder lernen schnell. Kleine Kinder lernen, allein klarzukommen, es mit sich selbst auszutragen. Ab und zu strecken sie nochmal die Hand aus, wenn sie jemanden im Türspalt stehen sehen, aber wenn auch diese nicht ergriffen wird …
„Ich mach zu, ja?“ Clare stand auf und schloss die Tür.
„Du zeigst wieder nicht, dass du weinst.“
„Ich kann niemanden mehr vorbeigehen sehen.“
„Clare …“
„Schsch, Maus, gleich sind wir frei.“
AIFE
26. Jan 2013
Die Sprache in diesem Text ist so fordernd, ich wurde ganz still und hörte nur zu. LG. AiKa
Mumpitz
30. Jan 2013
Hui, ein heftiger Text, in dem man die Freiheit am Ende sehr bedrohlich empfindet.