Die Strandfrau I

Als Marc die Bilder betrachtete, kehrte sein Blick immer wieder zu einem zurück. Es schien ganz aus Sand zu bestehen, unterbrochen von Muschen und kleinen Hölzern. Er trat näher heran.
„Darf ich?“, fragte er und wartete Josephs Nicken ab, bevor er mit der Hand über die Körner fuhr. „Ich habe noch nie solchen Sand gesehen“, stellte er nachdenklich fest.
„Die Strandfrau brachte ihn hierher“, bemerkte Alice und zwinkerte Joseph zu.
„Erzählen Sie mir von ihr?“
„Nach dem Essen bei einem Glas Wein.“
Marc konnte es kaum erwarten und war froh, als endlich der Tisch abgeräumt war. Alice nahm das Bild von der Wand, legte es in die Mitte und es schien, als wiege sie sich in der Geschichte:

„In den Höhen geboren,
mit dem Strand verschworen
trug sie der Wind
zwischen Hügel und Meer.

Den alten Kirschbaum mochte Liz am liebsten. Dort saß sie als Kind stundenlang und blickte auf die Felder jenseits des Tals, wo das Getreide reifte und sich golden in der Sonne spiegelte. Gleich daneben begann der Wald. Bald würden sie dort Beeren pflücken gehen und Marmelade daraus kochen, die gute dunkelblaue, an die keine andere heranreichte. Sie sog den Wind ein, der über die Hügel strich. Er trug das Plätschern des Baches zu ihr. Sie sprang auf, folgte dem Klang und gelangte kurz darauf an das kühle Nass. Es fühlte sich wohl an in ihrer Hand und sie rieb es sich durchs Gesicht und trank ein wenig davon. Dann setzte sie sich nieder, zupfte hier und da einen Grashalm aus und gab ihn der Strömung mit.
„Fließ“, dachte sie, „fließ.“

Sie hörte ihre Mutter rufen und beeilte sich, ins Haus zu kommen. „Schau, wir haben eine Postkarte von Onkel Franz.“
Staunend betrachtete Liz das Bild von New York. Diese riesige Stadt! Und das noch riesigere Meer, an dem sie lag!
„Franz hat geheiratet, schreibt er. Das ist ja schön. Er lädt uns wieder mal ein, ihn zu besuchen.“
Liz schwieg. Die weiteste Reise, die ihre Mutter je unternommen hatte, war ein Ausflug der Landfrauen gewesen, das Ziel keine fünfzig Kilometer entfernt. Und so sagte sie auch heute wieder: „Was soll ich denn da? Es ist besser, der Franz kommt heim, wenn er uns sehen will.“
Es hatte keinen Sinn, es zu diskutieren. Doch träumen … ja, träumen konnte sie.

Als Liz erwachsen wurde, fand sie eine gute Anstellung. Sie gab nicht viel Geld für sich aus, sondern legte alles für ihre erste Reise beiseite. Es war ein frischer, klarer Junitag, als sie von der Spitze einer Düne aus das Meer sah. Zuerst ging sie zögernd darauf zu, dann sicheren Schrittes, schließlich lief sie lachend hinein und es machte ihr nichts aus, dass ihre Schuhe nass wurden und das Kleid, das sie trug, und schließlich sie selbst, als sie begeistert unter eine Woge tauchte.

Sie lachte und jauchzte und ihr waren die Menschen egal, die am Strand entlang spazierten und sie sicher für ein wenig verrückt hielten. Nach einer Weile setzte sie sich auf einen Felsen und sah dem Kommen und Gehen der Wellen zu, wobei sie das Wasser ihre Füße umspielen ließ.
„Wie du zu mir kommst und gehst, werde ich kommen und gehen, bis zu dem Tag, an dem ich bei dir meine Ruhe finde“, versprach sie. Und als sie zurück in ihrer Herberge war, rieb sie den Sand von ihren Füßen in ein Marmeladenglas, schraubte den Deckel zu und verstaute es sorgfältig für ihre Heimreise.“

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Zwischen Hügeln und Meer, erster Teil

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Die Strandfrau II

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