Zauberer
„Ich freu mich auf Dein Lachen“, sagtest du
und hast es
– fast verloren –
mit Deinem
ganz einfach
wieder hervorgezaubert.
„Ich freu mich auf Dein Lachen“, sagtest du
und hast es
– fast verloren –
mit Deinem
ganz einfach
wieder hervorgezaubert.
Das Kerzenlicht warf einen warmen Schimmer. Sie hatten sich ausgezogen, gefrühstückt und nun lag sie in seinem Arm, vom Badewasser angenehm umschmeichelt. „Lies“, bat er sie und sie las ihm die Geschichte vor, die sie für diesen Moment geschrieben hatte:
„Jacks Hafenbar war der Mittelpunkt der Welt. Seeleute aus aller Herren Länder trafen sich dort, einfache Matrosen, Offiziere und Kapitäne, ja selbst Piraten wagten sich hierher. Es wurde getrunken, gelacht und manches Seemannsgarn gesponnen. Hinter der Theke stand Angel und schenkte das Bier aus, während sich Jack darin gefiel, von Zeit zu Zeit ein Lied anzustimmen. Viele Männer hatten schon versucht, Angels Herz zu erobern, doch sie antwortete stets: ‚Schreibe deine Worte in mein Herz und ich bin dein.‘
Darüber entspann sich Abend für Abend ein Wettstreit, wer die beste Geschichte erzählen konnte. Die einfachen Männer wussten von ihrer Arbeit zu berichten, andere trugen die wildesten Kämpfe mit Seeungeheuern aus und die Piraten vergruben alle Goldschätze der Welt in Verstecken, die nie ein Mensch würde finden können.
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Wenn der eine sagt „Geh“, weil er denkt, es ginge dem anderen besser damit,
und der andere sagt „Ich gehe“, weil er denkt, es ginge dem einen besser damit,
bedeutet das nicht, dass am Ende alles gut ist.
„Darf ich mich ein wenig zu Ihnen setzen? Wissen Sie, ich sitze immer auf dieser Bank, jeden Tag, Sommer wie Winter, egal, wie das Wetter ist. Ich sitze hier und hänge meinen Gedanken nach. Einen schönen Hund haben Sie da, ja, ich weiß, Labrador, die mag ich gern. Nein, ich habe keinen Hund, wissen Sie, in meinem Alter ist mir das zu anstrengend. Bin ja nun schon über 80. Aber es geht mir gut, ja, sehr gut, man muss zufrieden sein.
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Die Männer pfeifen ihr nicht hinterher,
aber die Menschen erwidern ihr Lächeln.
du zählst worte
für mich zählt gefühl
„Ich wusste, dass du so gucken würdest …“
Gedankenverloren dachte sie an seine Worte zurück. Ja, er wusste es. Wie er so vieles wusste, und sie von ihm, was sie einander anvertraut hatten. Wünsche, Sehnsüchte, Träume. Aber auch die kleinen Dinge des Alltags, Gewohnheiten, Marotten, über die sie von ferne lachen konnten, da sie sie nicht im Leben miteinander teilten.
Sie lebten Fluchten, jeder Moment kostbar. Höhlenfrühstück, Honigschlecken, Brombeergebüsch. Abenteuerreisen auf der Landkarte ihrer Körper. Lust – ungezügelt ausgelebt.
Niemand sonst so nah. Niemand sonst so vertraut. Niemand sonst, der seine Augen öffnen und sagen konnte „Ich wusste, dass du so gucken würdest …“
Weil niemand sonst sie je sah.
meine liebe läuft ins leere
wenn du sie nicht willst
„Geh!“, sagst du und ich küsse dich und wende dir meinen Rücken zu. Zuhause nehme ich meinen leicht verstaubten Globus vom Schrank und plane meinen Weg.
Mein Finger zieht eine Spur nach Moskau, von dort mit der transsibirischen Eisenbahn nach Peking – das wollte ich immer schon mal machen, weißt du – dann über den Pazifik nach San Francisco, quer durch die USA nach New York und über den Atlantik zurück.
Ich denke nach. Südwärts! Italien, das Licht der Toskana im Gepäck, dann über’s Mittelmeer nach Kairo, quer durch Afrika, durch Wüsten, Regenwald und Savanne, am Kilimandscharo vorbei nach Kapstadt. Dort, am Ort der Guten Hoffnung, schiffe ich mich ein in die Antarktis, obwohl Kälte nicht mein Ding ist, aber die Pinguine sehen und die Robben und ein Stück Natur, das vielleicht bald keins mehr ist. Quer durch das ewige Eis, weiter nach Feuerland und Patagonien und ich denke an Bruce Chatwin und wie sehr er diese Landschaft liebte. Weiter geht es nordwärts, durch Chile auf der Traumstraße der Welt. Abstecher nach Machu Pichu, weiter, weiter, Mexiko, USA, Kanada, Grönland, Island, dann bin ich zurück.
Nun werde ich verwegen, reise, wie ich es nie tat, durch den Balkan, Türkei, Iran, Afghanistan, als Frau ohne Kopftuch. Sie starren mich an und werfen mit Steinen nach mir. Indien, Nepal, den Mount Everest rauf und runter ohne Atemmaske. Ich fahre nach Singapur und spucke auf offener Straße einen Kaugummi aus. Ich lasse mich in China mit Drogen erwischen, durchquere die asiatischen Tropen und segle allein durch’s indonesische Piratengebiet. Was soll’s? Was soll’s ohne dich? Ich habe Glück und werde entführt, Pech, sie bringen mich nicht um, sondern lassen mich gegen Lösegeld frei und der Typ von der deutschen Botschaft begleitet mich unter dem Jubel der Presse nach Hause.
„Geh!“, hast du gesagt und ich bin gegangen, von West nach Ost, südwärts und in den vermeintlich sicheren Tod.
Am Ende nehme ich meinen Globus und stelle ihn dir ins Zimmer. Ich küsse dich und du spürst den Staub auf meinem Finger und weißt: Es führen doch alle Wege zu dir zurück.
„Halt mich!“, schrie er.
„Ich halte dich!“, gab sie ihm Zuversicht.
Die Szenerie unwirklich. Er hing über dem Abgrund, beide Hände nach oben gestreckt, wo sie bäuchlings lag und ihn hielt. Wie lange schon, war unwesentlich. Wichtiger war die Frage, wie lange sie so noch aushalten konnten.
„Lass mich los, sonst stürzt du mit mir hinab!“, schrie er.
„Nein!“, widersprach sie.
Sie umfassten gegenseitig ihre Handgelenke. „Siehst du den Turm?“, fragte sie und deutete über ihre rechte Schulter. „Siehst du ihn? Du wolltest mit mir hinaufklettern und über Land und Meer sehen. Schick mich bloß nicht alleine da hoch!“
Er sah den Turm, der ihm vertraut war. Ja! Mit ihr dort oben zu stehen und ihr zu zeigen, was er liebte, hatte er ihr versprochen. Doch nun hing er hier, in aussichtsloser Lage.
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